al-Samidoun

Kommentare und Berichte zu Politik, Religion und Kultur mit Fokus auf den Nahen Osten.

Freitag, 25. Februar 2011

Oops I did it again...

...aber ich konnte diesem innerlichen Drang mir die neue konkret zu kaufen einfach nicht widerstehen.
Das Titelblatt grinste mich gar so herausfordernd an, schließlich sollte es um die "Revolte al-Arabiata" gehen, so der pfiffige Titel. "Wohl bekomm's!".
Das Cover ist, wie es sich für jedes deutsche Magazin gehört welches über den Islam oder Araber berichtet, komplett in Schwarz gehalten. Auf diesem schwarzen Hintergrund prangt in blutroter arabischer Schrift die Basmala: Bi-ism-i-llah ar-Rahman ar-Rahim. Im Namen des barmherzigen, gnädigen Gottes.


"Nanu?" dachte ich, hatten die Revolten von Marokko bis zum Jemen mit dem Islam bisher doch nur am Rande zu tun. Warum wird er von der Konkret also ins Zentrum gerückt?
Weil die komplette Ausgabe ein einziger Aufschrei gegen die Proteste und Demokratisierung der arabischen Welt ist. Schließlich lauert der Islam im Araber und wenn der erstmal zum Zuge kommt, dann ist der Hoummus am Dampfen.

Konkret-Chef Gremliza für den die Juden "durch Jahrtausende unfreiwilliger Welterfahrung zur geistigen und materiellen Elite erwachsen" sind, schreibt "Tacheles", denn Demokratie ist nur eine richtige, wenn sie nicht das tut, was die Bevölkerung will:
"Eine Demokratie, deren Regierung die Vox populi exekutiert, ist eine democracia falsa."
Falsa! So viel zur Situation der deutschen Linken im Jahre 2011. Demokratie ist nur schön, wenn sie den eigenen Interessen dient und damit stellt sich der "undogmatisch linke" Capo hinter all die anderen Politclowns, ob bei CDU oder der Mövenpickpartei, die einzig ihre eigenen Interessen durchsetzen und sie dann als die der Bevölkerung verkaufen. Natürlich favorisiert Gremliza einen Tyrannen, wenn er denn nur auf der "richtigen Seite" steht. Ich hatte mich Anfang des Monats gefragt wie "Anti"deutsche wohl die Revolten in der arabischen Welt sehen würden. Jetzt weiß ich es.

Deshalb wird viel, bedeutend viel über die unfassbaren Gefahren geschrieben, mit denen wir nun durch eine potentielle Demokratisierung konfrontiert werden.
Um eines aber geht es in sechsundsechzig panischen Seiten Konkret nur am Rande: Um Chancen und um die Ägypter, Tunesier, Algerier und all die anderen Menschen, die momentan täglich gegen ihre Tyrannen aufbegehren. Keine Solidaritätsbekundungen, nirgends. An keiner Stelle werden die Arbeiterproteste in Tunesien, Ägypten und sogar Saudi-Arabien erwähnt. Gut, man schimpft ein wenig auf den Neoliberalismus und erwähnt die gestiegenen Preise für Nahrungsmittel, die wohl ihren Teil zur Entstehung der Proteste beitrugen, aber so richtig warm mit den Demokratieforderungen der Araber wird bei Konkret niemand. Ganz im Gegenteil. Demokratie für Araber wird in erster Linie als brennend heiße Gefahr wahrgenommen, denn um die Ecke liegt schließlich Israel.

Während 300 bis 400 Millionen Araber in Aufruhr sind, manche von ihnen im besten Falle im Tränengas husten und im schlechtesten Falle von Kampfjets der eigenen Regierung mit Bomben made in Germany massakriert werden, gelten die konkreten Sorgen einzig und allein den Israelis.
Also fährt man auf, was man an israelischen (Rubin, Stein, Lozowick) und deutschen (Feuerherdt) Hardlinern zu bieten hat.

Da darf sich der israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, darüber beklagen, dass die "nationalen Interessen" schließlich auf der Strecke bleiben würden, wenn man nicht mit Tyrannen kooperiere. Bitte "wo bleibt die Realpolitik?"
Die Europäer hätten das Modell der Diktaturen in den Nahen Osten exportiert, "das ist ein europäisches Produkt", wohingegen die USA immer verstanden hätten "zur Achtung der Menschenrechte aufzurufen und gleichzeitig die eigenen Interessen zu vertreten". Jawoll! Von Saudi-Arabien bis Libyen würden die Demokratien blühen und Nabila Obaid noch heute über die Leinwände shaken, wenn die Europäer die Amis nur hätten machen lassen!

Ein paar vor Angstschweiß triefende Seiten später darf einer der "führenden israelischen Nahostexperten" namens Barry Rubin zu den Ereignissen Stellung beziehen. Rubin kannte man bisher durch Aussagen, dass Fotographen im Nahostkonflikt "if necessary" Kinder fotografieren würden, die nur so tun würden, als seien sie verletzt. Und diese Behauptungen würden dann unverschämterweise in den westlichen Medien zu Fakten.
So, als ob es in irgendeinem militärischen Konflikt mit Israel an toten, arabischen Kindern gemangelt hätte. Man darf mich gerne eines besseren belehren, sollte das Gegenteil der Fall sein.

"So, Foto geknipst! Jetzt könnt ihr wieder aufstehen."

Und dann bekommt auch noch Stéphane Hessel, ehemaliger Résistance-Kämpfer und KZ-Häftling sein Fett weg, weil er doch tatsächlich die unverschämte Behauptung aufstellt, der Gaza-Streifen sei ein Gefängnis.

Zu guter oder weniger guter Letzt wird dann abschließend für das Buch "Halbmond und Hakenkreuz" von Klaus-Michael Mallmann und Martin Cüppers geworben, das die Zeit "ein quellengesättigtes, provokatives Grundlagenwerk zur arabisch-nationalsozialistischen Kollaboration" nennt. Wie 95% aller Experten für die arabische Region beherrschen selbstverständlich auch Mallmann und Cüppers kein Arabisch. Gilbert Achcar, Araber und tatsächlich Experte zum Antisemitismus in der arabischen Welt erklärt, die Arbeit der beiden basiere auf einer mittellangen Bibliographie von wissenschaftlichen Werken und Propaganda. Auf Deutsch und Englisch. In der Arbeit würden zudem die Begriffe Anitsemitismus, Antizionismus und Antiimperialismus synonym verwendet. Schon allein der Titel zeigt in welche Richtung es gehen soll. Das Symbol des Islam und das Symbol der Nazis vereint. Entsprechend antiarabisch geht es weiter und ausschließlich wird das Leid der Israelis gezeigt. Araber tauchen nur als Täter auf, als "arabische Terroristen".
Das erste Bild im Buch zeigt laut Bildunterschrift "einen Fußgänger erschossen von einem arabischen Terroristen" und eine schluchzende Frau vor dem Sarg ihres "jüdischen Ehemanns, ermordet von arabischen Terroristen". Ganz schön "provokativ" (ein seit Broder und Sarrazin pervertiertes Adjektiv).
Zwar kämpften tausende Araber an der Seite der Alliierten gegen die Faschisten und nur ganz wenige auf Seiten der Nazis, ein Buch bekommen dennoch nur letztere gewidmet.

Das war's dann auch schon. Bis auf ein paar Zeilen berechtigter, zwischen vielen Zeilen unberechtigter Kritik an Moshe Zuckermann und einem interessanten Beitrag über den Demjanjuk-Prozess ist wenig lesenswertes dabei.
Was soll's? Ich habe es wieder getan, und dabei hatte mich doch gerade erst ein anonymer Besucher dieses Blogs gewarnt:
Du solltest diese Schmierblätter Konkret u.Jungele World (geschweige den Bahamas) überhaupt nicht lesen. Sie sind höchstens für Toilettendienste zu verwenden;Antideutsche sind Handlanger des Imperialismus!
Nun halte ich die Zeit des Imperialismus zwar für eine vergangene Epoche aber mit den ersten beiden Sätzen hat er zumindest für diesen Monat vollkommen Recht. Aus Fehlern lernt man, oder auch nicht.
Wohl bekomm's!

7 Kommentare:

  1. Jetzt ist mir schlecht...

    AntwortenLöschen
  2. Ich bewundere eure Sprache (Al-Samidaoun, MondoPrinte ind Schmok), Ihr versteht euch untereinander...Ihr kokettiert, helft denen, die am Dialog ein wenig teilhaben wollen mit wohlgemeinten Ratschlägen auf den... ich weiss nicht was Weg und was nun? Ich habe zum Bsp. die 89-jährige Rachel Dror kennen gelernt, die sich nicht in einem Blog versteckte sondern in aller Öffentlichkeit Ihre persönliche Meinung äußerte....Vielleicht bin ich zu alt um das mit den Blogs zu verstehen?

    AntwortenLöschen
  3. Einer deiner besten Artikel bisher!

    AntwortenLöschen
  4. " ... So viel zur Situation der deutschen Linken im Jahre 2011. ..." - Das ist zu pauschal. Es gibt schon auch andere als Gremliza-"Linke".

    AntwortenLöschen
  5. Ist natürlich richtig... aber die sind, zumindest in meiner Region alle so leise.

    AntwortenLöschen
  6. http://www.freitag.de/community/blogs/wwalkie/-kann-zuckermann-arabisch-die-wahrheit-ist-nicht-immer-konkret

    hier untersucht ein anderer blogger, was v Feuerherdts Zuckermann-Kritik zu halten ist

    AntwortenLöschen
  7. Wobei ja zumindest die Jungle World für einmal die Aufstände in der arabischen Welt anders interpretiert.

    AntwortenLöschen