al-Samidoun

Kommentare und Berichte zu Politik, Religion und Kultur mit Fokus auf den Nahen Osten.

Donnerstag, 21. Juni 2012

Für den Orient...

Äh im Grunde genommen ...ähh... Assad selbst ist ein relativ, für den Orient genommen, verträglicher Mann.
Peter Scholl-Latour

Montag, 18. Juni 2012

Arabian Nights

"Es sind schon Menschen für geringere Verbrechen in manchen Ländern des Nahen Ostens hingerichtet worden, als dass sie regionale Zuordnungen etwas durcheinander gebracht hätten." Oliver M. Piecha
   Oh I come from a land, from a faraway place
   Where the caravan camels roam
   Where they cut off your ear
   If they don't like your face
   It's barbaric, but hey, it's home

Samstag, 16. Juni 2012

Freies Land für freie Nazis

Berthold Kohler fragt sich in der FAZ, ob die Balltreter Boateng, Khedira und Özil ihrem angeblichen Ruf als "Muster-Integrierte" überhaupt gerecht werden, wenn sie die Hymne der Schlandianer nicht mitsingen. Und den beim Integrationsthema unvermeidlichen Döner-Witz ("Deutschland, einig Dönerland!") lässt er natürlich auch nicht aus. Wie sich das für einen drittklassigen Schreiberling so gehört.
Beim sogenannten Singen der Nationalhymne fällt immer wieder auf, dass sie nicht nur für Sarah Connor, sondern auch für unsere Muster-Integrierten Boateng, Khedira und Özil einfach zu sperrig ist. Wären unsere Abwehrreihen doch immer so fest geschlossen wie Özils Lippen beim Deutschlandlied!

Dazu schreibt der Politblogger* treffend:
Um nach Herzenslust auf den Afrodeutschen und die beiden Muslime in Joachim Löws Stammelf verbal einzudreschen zu können, braucht es für einen Herrn Kohler zwar keinen besonderen Grund, aber die sich regelmäßig wiederholende und schon deshalb völlig überflüssige Diskussion um das Singen der Nationalhymne ist natürlich eine Gelegenheit, die sich kein rechtspopulistischer Schwätzer entgehen lässt. Gut, schon Torwarttitan Oliver Kahn konnte unmittelbar vor dem Anpfiff mit Einigkeit und Recht und Freiheit nichts anfangen, und für den in Polen zur Welt gekommenen Lukas Podolski gilt heute dasselbe, aber die mussten trotzdem nie beweisen, dass sie anständige Deutsche sind. Bei Kahn stellte sich diese Frage schon rein optisch nicht – und Podolski stammt schließlich aus dem oberschlesischen Gliwice (früher Gleiwitz). Der dunkelhäutige Jerome Boateng – geboren und aufgewachsen in Berlin, Mutter Deutsche, Vater Ghanaer – sowie Sami Khedira (der ebenfalls eine deutsche Mutter hat) aus Stuttgart und der Gelsenkirchener Junge Mesut Özil haben dagegen gefälligst rund um die Uhr nachzuweisen, dass sie des strammen Germanentums à la Berthold Kohler würdig sind. Basta.

Freies Land für freie Nazis.

(*Von seinem äußerst lobenswerten Einsatz gegen die Nazis von PI-News abgesehen, zitiere ich den Politblogger eigentlich eher ungern. Sein vehementes Eintreten für einen "gesunden Patriotismus" und seine platte Gleichsetzung von "Links- und Rechtsextremismus", werfen dann doch ein eher seltsames Licht auf den grünen Blogger.)

Mittwoch, 6. Juni 2012

Machthaber der Golfstaaten empört

Golfstaaten verlieren die Geduld mit Assad
[...]
Zwar zeigen sich sowohl Saudi-Arabien, Katar und auch die Vereinigten Arabischen Emirate gewillt, den Annan-Plan zu unterstützen, aber sie werden zunehmend ungeduldiger – besonders nach dem Massaker von al-Hula, bei dem offenbar regimetreue Terrormilizen 108 Zivilisten ermordet hatten, darunter 34 Frauen und 49 Kinder.
Ich bin mir sicher, dass die Machthaber der genannten Staaten zutiefst erschüttert sind angesichts des Vorgehens der Assad-Regierung. Das raubt denen sicherlich den Schlaf was dort der Bevölkerung angetan wird. Da kann man schonmal die Geduld verlieren.

Montag, 4. Juni 2012

Armut, Arbeitslosigkeit, Islamismus: Spannungen im Nordlibanon

Wenn man in den letzten Tagen vermehrt von bewaffneten Auseinandersetzungen im Norden des Libanons zwischen so genannten Assad-Unterstützern und Assad-Gegnern liest, so sind diese Berichte häufig etwas verkürzte Darstellungen.

Es ist keineswegs so, dass der Nachbarkonflikt (zwischen syrischen Regimegegnern und der Regierung) einfach nur in den Libanon über geschwappt wäre. Bewaffnete Auseinandersetzungen gab es im Nordlibanon schon Jahre bevor sich die syrische Bevölkerung gegen Bashar al-Assad erhob.
Und auch diesmal eskalierte die Situation aufgrund von Ereignissen im Libanon selbst. Hier sind zum einen die Festnahme des Salafisten Shadi al-Mawlawi und zum anderen die Erschießung des sunnitischen Geistlichen Ahmed Abd al-Wahed an einem Kontrollpunkt der libanesischen Armee zu nennen.

Armut, Arbeitslosigkeit, Islamismus
Doch auch diese Vorkommnisse können nicht als einzige Erklärung für die steten gesellschaftlichen Spannungen im Nordlibanon herangezogen werden. Das größte Problem der Region ist ein ökonomisches. So hat sich der Norden des Landes in den letzten Jahrzehnten zum Armenhaus des Libanons entwickelt:
Indicators show that the capital of North Lebanon is one of the most underprivileged places in the country along with the neighboring towns of Minieh, Dinniyeh and the northern region of Akkar.

All of this has been extensively documented in studies by the Lebanese state and local and international organizations. But despite the clearly alarming picture of North Lebanon, the state has done nothing since the end of the civil war to develop the region, even if just to maintain a minimum level of stability.

On the contrary, some politicians have treated it as a reservoir of poor people which they could tap into when they needed to go to battle. In most cases, the battles had nothing to do with improving living conditions or achieving an adequate level of services.

Arbeitslosigkeit und Armut bestimmen konfessionsübergreifend das tägliche Leben vieler Einwohner von Tripolis und anderen nördlich gelegenen Städten. Seit spätestens dem Ende des Bürgerkriegs ist diese, im nationalen Vergleich starke Vernachlässigung der Region besonders spürbar geworden. Und während in den Wiederaufbau des Südlibanons gerade auch nach dem Juli-Krieg 2006 hohe Summen an Geldern (teilweise iranischer Herkunft) geflossen sind, geht der Norden beinahe leer aus. Das Resultat dieser Vernachlässigung ist die gegenwärtige Situation.

Mit der zunehmenden Verwahrlosung der nördlich gelegenen Regionen des Landes begann der Salafismus allmählich und besonders in den palästinensischen Flüchtlingslagern Fuß zu fassen.
Das Erstarken der salafistischen Strömungen im Nordlibanon hängt zudem auch damit zusammen, dass sie von Saad Hariris (oft als "pro-westlich" bezeichneter) Zukunftsbewegung als Antagonist zur Hizbullah aufgebaut werden sollte. Auch der bereits erwähnte Ahmed Abd al-Wahed gehörte zum Kreis um den Abgeordneten Khaled al-Daher von Hariris Zukunftsbewegung, der selbst eine salafistische Schlüsselfigur im Nordlibanon ist.
So gesehen ist es beinahe seltsam, dass die Region trotz der eskalierten Situation in Syrien noch verhältnismäßig ruhig geblieben ist. 

Modell Südlibanon für den Norden?
Hier zeigen sich gewisse Parallelen zu einer anderen Region im Libanon. 
Das was man nämlich spätestens seit Anfang der 60er Jahre im Süden des Landes in der Form einer entstehenden islamistisch-schiitischen Bewegung beobachten konnte, scheint sich womöglich in einer sunnitischen Variante im Norden abzuspielen.

Durch eine katastrophale Infrastruktur, einen Bevölkerungszuwachs durch tausende palästinensische Flüchtlinge, einen verkrusteten Klientelismus, Bürgerkrieg und schließlich den zahlreichen Konflikten mit dem israelischen Nachbar, war der Süden mit seiner schiitischen Bevölkerungsmehrheit im Vergleich zum Rest des Landes so marginalisiert, dass sich allmählich organisierter Widerstand gegen diesen Zustand entwickelte. Innerhalb des politischen Systems fand die verarmte Bevölkerung kaum politische Vertretung und so formulierten vor allem Gruppen außerhalb des Parlaments und der etablierten Parteien Protest gegen die Entwicklungen.
Während es anfangs vor allem linke Organisationen waren, die die mittellosen Schiiten anziehen konnten, gewannen später vermehrt religiöse Gruppen Unterstützung in der Bevölkerung.
In dieser Zeit bildeten sich die damals noch bitter verfeindeten Milizen Amal und Hizbullah, die um Einfluss unter den Bewohnern des Südlibanons rangen. Mit der Zeit gelang es diesen Gruppen dann tatsächlich - neben einer starken Islamisierung - die Situation etwas zu verbessern. Auch wenn die Hizbullah heute für eine neoliberale Politik eintritt und ihr Gerede von den "Unterdrückten" und den "Unterdrückern" reichlich inhaltsleer bleibt. 

Neid auf den Süden
Heute jedoch sind es vor allem die Menschen im Norden die mit einer katastrophalen ökonomischen Lage zu kämpfen haben. Hinzu kommt ein wachsender Flüchtlingsstrom aus Syrien der tausende Schutz suchende Menschen in den Norden und die Beqaa-Ebene des Libanons treibt. Genaue Zahlen fehlen aber bereits jetzt sind etwa 8000 syrische Flüchtlinge im Raum Tripolis registriert. Diese Entwicklung wird die Lage in der Region wohl zusätzlich verschärfen.

Nicht ohne Neid, der sich oft in einen plumpen Anti-Schiismus verwandelt, schauen die Bewohner des Nordens daher gen Süden und fühlen sich von der Regierung, an der auch die Hizbullah beteiligt ist vernachlässigt.
The “Mapping of Human Poverty and Living Conditions in Lebanon” study published by the Ministry of Social Affairs (MoSA) and the United Nations Development Program (UNDP) [in 2009] shows that the North has the highest percentage of very poor families, with 30.5 percent of all poor families in Lebanon.

It is also the most deprived of education (47.1 of families deprived of education in Lebanon live in North Lebanon) and health (46.2 percent). It is in second place when it comes to housing (26.3 percent) and basic utilities (37.8 percent).

In Tripoli, 57 percent of the population is considered poor, coming only behind Akkar and Minieh-Dinniyeh according to “Poverty, Growth and Income Distribution in Lebanon,” published by MoSA and UNDP in 2009.

Al-Qaida im Libanon
Das massive Erstarken jihadi-salafistischer Kräfte im Nordlibanon könnte sogar zukünftig dazu führen, dass sich die Region zu dem Rückzugs- und Trainingsort für Rekruten Al-Qaidas (bzw. AQAM) in der Levante verwandelt. Gruppen wie Fath al-Islam, die vor allem aus palästinensischen Flüchtlingslagern heraus agierte, stehen exemplarisch für diese Entwicklung.
Hatte Hariris pro-saudische und pro-amerikanische Zukunftsbewegung noch versucht, nach dem Mord an Rafik Hariri die sunnitische Bevölkerung gegen die Hizbullah und damit die Schiiten in Stellung zu bringen, scheint die Situation zunehmend außer Kontrolle zu geraten.

So gibt es vermehrt Hinweise auf geplante Al-Qaida-Attentate und Anschläge auf hochrangige libanesische Politiker, wie den Amal-Führer und Parlamentspräsidenten Nabih Berri. Vermutlich soll mit solchen Aktionen der Konflikt zwischen den Religionsgruppen weiter angeheizt werden.
Wie viel tatsächlich an diesen Vermutungen dran ist, ist schwer zu bestimmen. Fest steht jedoch, dass mittlerweile Al-Qaida-Mitglieder im Libanon aufgetaucht sind und mit der Free Syrian Army in engem Kontakt stehen um die Revolte gegen die Assad-Diktatur zu unterstützen.

Düstere Aussichten
Auch in dieser vom Islamismus "befallenen" Region ist es vor allem die wenig Hoffnung versprechende wirtschaftliche Lage, die den Extremisten die Menschen in die Arme treibt. Politisch von den jeweiligen Lagern instrumentalisiert, lässt sich die Bevölkerung bereitwillig gegeneinander aufhetzen, selbst wenn sie in Hinblick auf die gemeinsame Armut mehr eint als trennt.

Der Konflikt im benachbarten Syrien wird die Lage im Libanon zudem zusätzlich verschärfen und könnte das Land in den Strudel eines weiteren blutigen Bürgerkrieges ziehen. Sollte es also nicht bald gelingen den Menschen im Nordlibanon Perspektiven abseits von einem romantisierten Märtyrertod zu bieten, droht dem Land eine weitere Zerreißprobe.