al-Samidoun

Kommentare und Berichte zu Politik, Religion und Kultur mit Fokus auf den Nahen Osten.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Arabischer Rap und Protestkultur

Auf der Seite der faz befindet sich derzeit ein Artikel über die Rolle arabischer Rapmusik in den regierungskritischen Protesten.
Das ist erstmal erfreulich, da die arabischen Rapper einige Vorurteile über arabische Gesellschaften zerstören, die sich offenbar auch bei der faz gehalten haben.
Es bleibt bezeichnend, dass sich diese Protestsongs amerikanischer Popformate bedienen. Offensichtlich geht es den jungen Demonstranten kaum um die Verteufelung des Westens.
Was ist daran bezeichnend? Verwundert kann man nur sein, wenn man stets davon ausgegangen ist, dass die Araber den Westen als Ganzes ablehnen. Das war jedoch immer nur ein nützliches Vorurteil und hat nichts mit der Realität zu tun.

Arabische Rapper können tatsächlich sehr wohl "westliche" Kunstformen übernehmen bzw. modifizieren und sich dennoch gegen die Politik der USA wenden. Zumal die arabischen Rapper vermutlich wesentlich stärker vom französischen Rap beeinflusst sein dürften und der ist ja schon lange "in der Hand" der arabischen und afrikanischen Minderheiten.
Ganz davon abgesehen, dass die Dichtung von großer Bedeutung ist in den arabischen Kulturen. (Man denke an die Grabenschlacht, dem Konflikt zwischen den Quraish und den frühen Muslimen im Jahre 627, als sich die Kontrahenten tagelang gegenüber standen und sich "Schmähdichtungen" an den Kopf warfen.)
Es war nie ein Widerspruch für Rapper wie Medine Islam und Rap miteinander zu vereinbaren.

Nebenbei, auch viele US-Rapper sind vehemente Kritiker der Politik ihres Landes. Amerikahass kann man ihnen jedoch schwer vorwerfen. Schon gar nicht lehnen sie die komplette Kultur und das Wertesystem der USA ab.
Tatsächlich blieben kritische Songs aufgrund von Zensur und der Übermacht eines auf blumige Amouren abonnierten arabischen Pops meist im Untergrund stecken. Ausnahmen waren Anti-Israel-Songs: Diese Zielscheibe gefährdete keine arabische Regierung und konnte sich auf die Zustimmung weitester Bevölkerungskreise berufen. „I Hate Israel“ nahm etwa 2001 der ägyptische Rapper Shaaban auf. Ein Multimillionär mit eigener Limousinen-Flotte, der – zumindest bis vor zwei Wochen – auch opportunistische Lobhudeleien auf Präsident Hosni Mubarak rappte.
Rapper? Der Mann ist kein Rapper sondern ein schmieriger, drittklassiger Sänger. Nie wurde anderes behauptet. Aber ich glaube, dass es dem Autor um etwas ganz anderes ging.

Und nur ganz am Rande...
Auf der anderen Seite stehen Solidaritätsvideos ägyptischer Untergrund-Hiphopper für Khaled Said, den von ägyptischen Polizisten für eine Internetkritik brutal zusammengeschlagenen Geschäftsmann aus Alexandria.
...Said wurde nicht "zusammengeschlagen", er wurde zu Tode gefoltert.

Aber nochmal zum arabischen Rap. Neben den im Artikel genannten Künstlern wie El Général und Karim El Gang, entstehen auch in anderen Gegenden der arabischen Welt Gruppen, die vor allem durch politische und sozialkritische Texte auffallen. Zum Beispiel die palästinensischen Gruppe Katibe 5 mit dem brachialen Sound aus den Flüchtlingslagern des Libanons oder die Gruppe Touffar aus Baalbak Libanon.

Natürlich orientieren sich diese Künstler auch an den USA. Sie identifizieren sich aber weniger mit Bill O'Reilly oder der Bush-Doktrin, sondern eher mit Martin Luther King und den Black Panthers.
Und so gleichen sie auch hier am Ende ihren amerikanischen Kollegen.

1 Kommentar:

  1. Ja nun....., es hat noch nie geschadet auch vom Feind zu lernen. Bedenke, auch als barbarische Christen ihre Kreuzzüge zelebrierten und auslebten, entwickelten sie ein Faible für orientalische Lebensweisen, fanden Gefallen an Parfumen und Damast, lernten sich sogar zu waschen! Komisch nur, dass Abkupfern nicht zur Freundschaft führt. Denn derjenige honoriert doch auch auf seine Weise die Fähigkeiten des Anderen. Und trotzdem lehnt er den Kopierten ab. Woran liegt dies?

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