al-Samidoun

Kommentare und Berichte zu Politik, Religion und Kultur mit Fokus auf den Nahen Osten.

Montag, 28. Februar 2011

Sadat - kein Demokrat und schon gar kein Held

Aus einem ansonsten recht interessanten Artikel von Mohssen Massarrat im Freitag:
Mubarak hingegen wurde zum treuesten Verbündeten des Westens, weil er gegen den Willen der ägyptischen Bevölkerung tat, was man von ihm erwartete. Seine Vorgänger Nasser und Sadat waren gewiss keine Demokraten, aber Helden in den Augen ihrer Landsleute, weil sie die Würde der Araber verteidigten.
Sadat konnte zwar durch die "Erfolge" im Oktoberkrieg Eindruck in der äygptischen Bevölkerung schinden, mit seiner Infitah-Politik, der wirtschaftlichen Öffnung Ägyptens für ausländische Investitoren und vor allem mit seinem(!) Friedensvertrag mit Israel, hat er sich zu einer Hassfigur in großen Teilen der arabischen Welt gemacht.

Auf der Beerdigung Nasirs waren Millionen Ägypter. Auf der von Sadat waren hauptsächlich Vertreter westlicher Länder.
Während der Proteste in Ägypten konnte man nahezu kein einziges Bild von Sadat sehen. Dafür einige von Nasir. Diese waren unter anderem auf auch Demonstrationen im Jemen, der Westbank und im Libanon präsent.

Die ägyptischen Demonstranten sind nicht nur gegen Mubarak, sondern gegen das Sadat-Mubarak-System.

Sonntag, 27. Februar 2011

Wunsch...

"Und nun haben wir gesehen, dass die Jerusalem-Frage überhaupt keine Rolle spielte, als das tunesische und das ägyptische Volk sich befreit haben."
...und die Realität.

Samstag, 26. Februar 2011

Palästinenser wollen im März protestieren

Wenn ich das richtig verstanden habe, versucht momentan die Gaza Jugendbewegung, die auch den offenen Brief vom Dezember 2010 verfasst hat, für den 15. März Demonstrationen gegen die "palästinensische Spaltung" zu organisieren.


Auf Facebook hat die Gruppe verschiedene Forderungen formuliert. Darunter die Auflösung der Fayyad- und der Haniyeh-Regierung, um eine neue Regierung zu errichten, die von allen palästinensischen Fraktionen anerkannt wird. So lange keine repräsentative Regierung aufgestellt worden sei, sollen sämtliche Verhandlungen mit Israel ruhen.
Das weist zumindest darauf hin, dass Verhandlungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Unter anderem wird zu Demonstrationen in Gaza, Ramallah, Tulkaram, Jenin, Hebron, Betlehem, Nablus, sowie in Jordanien und dem Libanon aufgerufen. Außerdem soll vor palästinensischen Botschaften demonstriert werden.

Ich bin gespannt, wie sich das entwickeln wird. Außer Frage steht, dass die Hamas-Regierung und die Regierung in der Westbank schnellstmöglich aufgelöst gehören.

In der israelischen Zeitung Jerusalem Post hatte ein Schreiber die Vision, wie die israelische Besatzung in der Westbank enden würde:
And it became pretty clear to me that this is how Israeli rule in the West Bank is going to end – through Palestinian people power. Masses of Palestinians, tens of thousands, hundreds of thousands, marching to IDF checkpoints and outposts, marching to Israeli-only roads, to settlements, to the security fence – to the nearest Israeli presence and screaming, “Out! Out!”
Unmöglich ist es nicht...

Freitag, 25. Februar 2011

Oops I did it again...

...aber ich konnte diesem innerlichen Drang mir die neue konkret zu kaufen einfach nicht widerstehen.
Das Titelblatt grinste mich gar so herausfordernd an, schließlich sollte es um die "Revolte al-Arabiata" gehen, so der pfiffige Titel. "Wohl bekomm's!".
Das Cover ist, wie es sich für jedes deutsche Magazin gehört welches über den Islam oder Araber berichtet, komplett in Schwarz gehalten. Auf diesem schwarzen Hintergrund prangt in blutroter arabischer Schrift die Basmala: Bi-ism-i-llah ar-Rahman ar-Rahim. Im Namen des barmherzigen, gnädigen Gottes.


"Nanu?" dachte ich, hatten die Revolten von Marokko bis zum Jemen mit dem Islam bisher doch nur am Rande zu tun. Warum wird er von der Konkret also ins Zentrum gerückt?
Weil die komplette Ausgabe ein einziger Aufschrei gegen die Proteste und Demokratisierung der arabischen Welt ist. Schließlich lauert der Islam im Araber und wenn der erstmal zum Zuge kommt, dann ist der Hoummus am Dampfen.

Konkret-Chef Gremliza für den die Juden "durch Jahrtausende unfreiwilliger Welterfahrung zur geistigen und materiellen Elite erwachsen" sind, schreibt "Tacheles", denn Demokratie ist nur eine richtige, wenn sie nicht das tut, was die Bevölkerung will:
"Eine Demokratie, deren Regierung die Vox populi exekutiert, ist eine democracia falsa."
Falsa! So viel zur Situation der deutschen Linken im Jahre 2011. Demokratie ist nur schön, wenn sie den eigenen Interessen dient und damit stellt sich der "undogmatisch linke" Capo hinter all die anderen Politclowns, ob bei CDU oder der Mövenpickpartei, die einzig ihre eigenen Interessen durchsetzen und sie dann als die der Bevölkerung verkaufen. Natürlich favorisiert Gremliza einen Tyrannen, wenn er denn nur auf der "richtigen Seite" steht. Ich hatte mich Anfang des Monats gefragt wie "Anti"deutsche wohl die Revolten in der arabischen Welt sehen würden. Jetzt weiß ich es.

Deshalb wird viel, bedeutend viel über die unfassbaren Gefahren geschrieben, mit denen wir nun durch eine potentielle Demokratisierung konfrontiert werden.
Um eines aber geht es in sechsundsechzig panischen Seiten Konkret nur am Rande: Um Chancen und um die Ägypter, Tunesier, Algerier und all die anderen Menschen, die momentan täglich gegen ihre Tyrannen aufbegehren. Keine Solidaritätsbekundungen, nirgends. An keiner Stelle werden die Arbeiterproteste in Tunesien, Ägypten und sogar Saudi-Arabien erwähnt. Gut, man schimpft ein wenig auf den Neoliberalismus und erwähnt die gestiegenen Preise für Nahrungsmittel, die wohl ihren Teil zur Entstehung der Proteste beitrugen, aber so richtig warm mit den Demokratieforderungen der Araber wird bei Konkret niemand. Ganz im Gegenteil. Demokratie für Araber wird in erster Linie als brennend heiße Gefahr wahrgenommen, denn um die Ecke liegt schließlich Israel.

Während 300 bis 400 Millionen Araber in Aufruhr sind, manche von ihnen im besten Falle im Tränengas husten und im schlechtesten Falle von Kampfjets der eigenen Regierung mit Bomben made in Germany massakriert werden, gelten die konkreten Sorgen einzig und allein den Israelis.
Also fährt man auf, was man an israelischen (Rubin, Stein, Lozowick) und deutschen (Feuerherdt) Hardlinern zu bieten hat.

Da darf sich der israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, darüber beklagen, dass die "nationalen Interessen" schließlich auf der Strecke bleiben würden, wenn man nicht mit Tyrannen kooperiere. Bitte "wo bleibt die Realpolitik?"
Die Europäer hätten das Modell der Diktaturen in den Nahen Osten exportiert, "das ist ein europäisches Produkt", wohingegen die USA immer verstanden hätten "zur Achtung der Menschenrechte aufzurufen und gleichzeitig die eigenen Interessen zu vertreten". Jawoll! Von Saudi-Arabien bis Libyen würden die Demokratien blühen und Nabila Obaid noch heute über die Leinwände shaken, wenn die Europäer die Amis nur hätten machen lassen!

Ein paar vor Angstschweiß triefende Seiten später darf einer der "führenden israelischen Nahostexperten" namens Barry Rubin zu den Ereignissen Stellung beziehen. Rubin kannte man bisher durch Aussagen, dass Fotographen im Nahostkonflikt "if necessary" Kinder fotografieren würden, die nur so tun würden, als seien sie verletzt. Und diese Behauptungen würden dann unverschämterweise in den westlichen Medien zu Fakten.
So, als ob es in irgendeinem militärischen Konflikt mit Israel an toten, arabischen Kindern gemangelt hätte. Man darf mich gerne eines besseren belehren, sollte das Gegenteil der Fall sein.

"So, Foto geknipst! Jetzt könnt ihr wieder aufstehen."

Und dann bekommt auch noch Stéphane Hessel, ehemaliger Résistance-Kämpfer und KZ-Häftling sein Fett weg, weil er doch tatsächlich die unverschämte Behauptung aufstellt, der Gaza-Streifen sei ein Gefängnis.

Zu guter oder weniger guter Letzt wird dann abschließend für das Buch "Halbmond und Hakenkreuz" von Klaus-Michael Mallmann und Martin Cüppers geworben, das die Zeit "ein quellengesättigtes, provokatives Grundlagenwerk zur arabisch-nationalsozialistischen Kollaboration" nennt. Wie 95% aller Experten für die arabische Region beherrschen selbstverständlich auch Mallmann und Cüppers kein Arabisch. Gilbert Achcar, Araber und tatsächlich Experte zum Antisemitismus in der arabischen Welt erklärt, die Arbeit der beiden basiere auf einer mittellangen Bibliographie von wissenschaftlichen Werken und Propaganda. Auf Deutsch und Englisch. In der Arbeit würden zudem die Begriffe Anitsemitismus, Antizionismus und Antiimperialismus synonym verwendet. Schon allein der Titel zeigt in welche Richtung es gehen soll. Das Symbol des Islam und das Symbol der Nazis vereint. Entsprechend antiarabisch geht es weiter und ausschließlich wird das Leid der Israelis gezeigt. Araber tauchen nur als Täter auf, als "arabische Terroristen".
Das erste Bild im Buch zeigt laut Bildunterschrift "einen Fußgänger erschossen von einem arabischen Terroristen" und eine schluchzende Frau vor dem Sarg ihres "jüdischen Ehemanns, ermordet von arabischen Terroristen". Ganz schön "provokativ" (ein seit Broder und Sarrazin pervertiertes Adjektiv).
Zwar kämpften tausende Araber an der Seite der Alliierten gegen die Faschisten und nur ganz wenige auf Seiten der Nazis, ein Buch bekommen dennoch nur letztere gewidmet.

Das war's dann auch schon. Bis auf ein paar Zeilen berechtigter, zwischen vielen Zeilen unberechtigter Kritik an Moshe Zuckermann und einem interessanten Beitrag über den Demjanjuk-Prozess ist wenig lesenswertes dabei.
Was soll's? Ich habe es wieder getan, und dabei hatte mich doch gerade erst ein anonymer Besucher dieses Blogs gewarnt:
Du solltest diese Schmierblätter Konkret u.Jungele World (geschweige den Bahamas) überhaupt nicht lesen. Sie sind höchstens für Toilettendienste zu verwenden;Antideutsche sind Handlanger des Imperialismus!
Nun halte ich die Zeit des Imperialismus zwar für eine vergangene Epoche aber mit den ersten beiden Sätzen hat er zumindest für diesen Monat vollkommen Recht. Aus Fehlern lernt man, oder auch nicht.
Wohl bekomm's!

Haaretz und der "Transfer" von Palästinensern nach Jordanien

Die "linke", israelische Tageszeitung Haaretz schaltete kürzlich diese Werbeanzeige auf ihrer Homepage:


Selbstlose Israelis arbeiten nämlich daran, den jordanische König dazu zu bewegen, die Einwohner Palästinas endlich in ihre "rechtmäßige Heimat in Jordanien" "zurück"zubringen. Und zu diesem Zweck wurde diese Petition gestarten.
Palästinenser sollen also in ein Land, in dem weder sie selbst, noch ihre Vorfahren jemals gelebt haben abgeschoben werden, damit für jüdische Israelis mehr Lebensraum verfügbar ist.

Von einem freiwilligen Gehen der Palästinenser ist übrigens schon gar keine Rede mehr, vielmehr soll König Abdullah sie "zurück"holen.
Schwer vorstellbar ist dagegen, dass Haaretz eine Anzeige schalten könnte, in der dazu aufgerufen wird, dass zionistische Einwanderer wieder in ihre Herkunftsländer gebracht werden. Stattdessen macht Haaretz Werbung für den Plan, Palästinenser in fremde Länder abzuschieben.

Mehr über rassistischen Müll bei Haaretz gibt es bei Lawrence of Cyberia.

Donnerstag, 24. Februar 2011

Das kann er nicht alleine geschafft haben, der Araber!

Seine Strategie treibt Gaddafi an den Abgrund

Gene Sharp ist der Machiavelli des gewaltlosen Widerstands. Er schrieb die Do-it-Yourself-Anleitung für die Aufstände in Arabien.
Mal ehrlich. Es war klar, dass so ein Artikel zu allererst in der Welt erscheinen würde. Und bereits bei den einleitenden Zeilen wusste ich, dass der Kram von einem Gutachsler kommen muss.
Das Denken dieses braunen Haufens basiert doch hauptsächlich auf der Logik, dass nur der weiße Europäer oder Amerikaner wirklich Weltbewegendes auf die Beine stellen kann.
Araber die von sich aus eine Bewegung starten, die das Potential hat die politische Situation von Marokko bis nach China zu verändern? Unmöglich!

Deshalb stürzen sich jetzt die Leute die meinen, der weiße Mann wäre der Mittelpunkt der Erde auf Gene Sharp, dem einflussreichen, US-amerikanischen Denker auf dem Gebiet des gewaltlosen Widerstandes. Es kann schließlich nicht sein, dass die Araber aus eigener Kraft ihre Unterdrücker stürzen und gestürzt haben.

In diesem Artikel lässt sich As'ad AbuKhalil zum selben Thema aus und ich finde seine Wort mehr als passend, wenn ich mir Personen wie Hannes Stein anschaue:
"I understand it's very difficult for the white man to look at the natives acting in a way that is inspiring and causing so much attention without hoping to take credit," said AbuKhalil, who writes the Angry Arab blog. "When the Muslims or Arabs protest in ways that are violent, in ways that the West doesn't like, they are blamed, I would say wrongly, on Islam or some peculiar, weird aspect of Arab culture," he said. "But when Arabs protest in a way that is inspiring, in a way that is causing even people in Wisconsin to see them as a model, then the West believes that they couldn't have done it themselves, there must have been some Westerner who must have inspired them."
Sinngemäß:
Ja, es muss sehr schwer sein für den weißen Mann anzuerkennen, dass die "Eingeborenen" selbst dazu in der Lage sind etwas auf die Beine zu stellen, was so viel positive Aufmerksamkeit hervorruft und Menschen rund um den Globus inspiriert, ohne dass er dafür irgendwie die Lorbeeren einkassieren kann.

Wenn Muslime oder Araber auf gewalttätige Art protestieren oder in einer Art, die dem Westen nicht gefällt, dann wird der Islam oder ein bestimmtes, merkwürdiges Phänomen der arabischen Kultur dafür verantwortlich gemacht. Aber wenn Araber in einer Weise protestieren die so begeisternd ist, dass sogar Menschen in Wisconsin diese als Vorbild betrachten, dann denkt der Westen, dass sie das nicht alleine geschafft haben können, die Araber, dass es irgendeinen Mensch aus dem Westen gegeben haben muss, der ihnen das beigebracht hat.

Gene Sharp hin oder her. Mit den Protesten hat er nur am Rande zu tun. Mehr nicht.

(Diese Realitätsferne... Als ob die Menschen in Manshiyat Nasir während dem Müllsortieren die Zeit finden würden, englische PDF-Pamphlete zum gewaltlosen Widerstand zu studieren. Sie haben den Sturz des Diktators mit der Unterstützung von Al-Jazeera und (in wesentlich geringerem Maße) dem Internet alleine geschafft!)

Barak: "A lot of respect and empathy for Mubarak"

“I personally feel a lot of respect and empathy for Mubarak. He enjoyed and deserved the respect of many egyptians… its a tough job holding egypt above water; its ehh ehh new million babies every 9 months, new million jobs every 9 months and ehh he was quite successful under his circumstances.. and deserved respect and his dignity should be ehhh kept”
Ehud Barak in einem Gespräch mit Wolf Blitzer auf CNN am 23.02.2011.

Via Ikhras!

Mittwoch, 23. Februar 2011

Waffen aus Europa

Europa steht vor einem schwer vermittelbaren Widerspruch: Die EU hat den Export von Waffen nach Libyen zwar gestoppt, doch allein 2009 wurden Exportlizenzen für Kriegsgerät im Wert von 344 Millionen Euro erteilt.
Hier gehts weiter...

Interessante Auffälligkeit dabei:
Nach dem jüngsten, schon im Januar veröffentlichten Jahresbericht sind Italien und Malta die größten europäischen Waffenlieferanten an Libyen, gefolgt von Deutschland, Frankreich und Großbritannien.
und siehe da, in einem anderen Artikel (Zeit):
Die EU kann sich trotz der brutalen Gewalt des libyschen Regimes gegen Demonstranten noch nicht zu Sanktionen durchringen. Italien, Malta und Zypern widersetzten sich dem Vorstoß mehrerer EU-Länder, die sich für sofortige Sanktionen gegen das Gadhafi-Regime stark gemacht hatten.
Warum das Schlachten stoppen, wenn man kräftig daran verdient? Wann wird eigentlich endlich Berlusconi gestürzt? Vorbilder dazu gab es doch jetzt genug.

T.v.d.O.-S. zu Gabriele Riedle

Gestern noch auf ihn geschimpft, heute muss ich wieder zustimmen...

Von der Osten-Sacken kritisiert Geo-Redakteurin Gabriele Riedle und hat auch noch vollkommen Recht.
In einem Interview welches bei der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung erschien, überrascht sie mit reichlich seltsamen Aussagen. Substantielles bringt sie kaum...
[...]Stattdessen lässt sie sich lieber über Stämme, Islamisten und über die erd- und familiengebunden Libyer aus. Klingt ja auch besser, so voll nahostexpertenmäßig eben.
Mir ist das Interview mit der Dame auch aufgefallen, hatte dann aber keine Zeit und Motivation die Aussagen zu kritisieren.

Dienstag, 22. Februar 2011

Das angebliche Schweigen der "Palästinafreunde"

In der Jungle World (ja, ich hab sie richtig lieb gewonnen) ereifert sich Thomas von der Osten-Sacken darüber, dass sich all die "linken Gutmenschen" nicht zu den Ereignissen in Libyen äußern würden. Und natürlich meint er damit auch (oder vor allem) die "Palästinafreunde".
Die Gründe für dieses angebliche(!) Schweigen liefert er gleich mit...
Schließlich kommt ja soviel von unserem Erdöl von Gaddafi, der wiederum, anders als Mubarak und Ben Ali keine Marionette des Westens ist, und irgendwie mit seiner lächerlichen Grünen Bibel ja auch auf der Seite der kämpfenden Völker gegen Imperialismus und Zionismus stand. Und, Libyen weiss es auf den Punkt zu bringen, die EU kooperiert seit Jahren erfolgreich mit dem Despoten in Tripoli bei der Flüchtlingsabwehr, d. h. man zahlt das dortige Regime, damit es Afrikaner vor Ort interniert und nicht weiter reisen lässt.

Drei Tage, in denen ebenfalls, mit der löblichen Ausnahme von Human Rights Watch, Grüne, Linke, NGOs, Friedensbewegung, Menschenrechtsorganisationen, Palästinafreunde und wie sie sonst noch alle heißen, eisern schwiegen.
Drei Tage hätten sie sich alle Zeit gelassen, bevor sie reagiert hätten.
Abgesehen von der Tatsache, dass die Jungle World drei Wochen gebraucht hat, um die Aufstände in Tunesien zu bemerken (woran lags' denn bei euch?), ist das natürlich alles großer Halloumikäse. Wie so vieles in der Jungle World, wenn es denn die MENA-Region betrifft.

Palästinafreunde, nein, man kann sogar sagen Palästinafanatiker haben lange bevor in Libyen überhaupt ein einziger Schuss gefallen ist, auf die Pläne zu Protestmärschen gegen die Regierung hingewiesen.
Unter anderem auf deutschen, englischen und arabischen Blogs. Auf weiteren Blogs sind die Proteste seit sie ausgebrochen durchaus ein Thema.
Rohrkrepierer also.

Zum Grünen Buch hat ein Palästinafreund einige Tage vor der Jungle World geschrieben:
The Libyan People. They may have suffered more than other Arab people for the simple reason that they were forced to "study" the trash that Qadhdhafi wrote as "the Green Book." You saw the footage today of Libyan youth destroying a statue of the Green Book. Do you know how many Arab intellectuals were paid to write on and discuss the Green Book in numerous conferences?
Vielleicht macht von der Osten-Sacken es ja wie sein Kollege Schulz. Er will es gar nicht sehen, dass "Palästinafreunde" sich eben auch gegen die Regime in Syrien und Libyen stellen können und kürzt deshalb Zitate so, dass sie wieder ins beschränkte Weltbild passen.

Und bevor von der Osten-Sacken wieder mal die USA reinwäscht:
Gaddafi mag keine "Marionette" des Westens sein, er hat aber ganz gute Beziehungen zu den USA und Europa aufgebaut, was sich unter anderem in massiven Waffenlieferungen gezeigt hat, mit denen Bush (ja, dem Lieblingscowboypräsidenten der Dschungelkrieger) das Gaddafi-Regime glücklich machte.

Quizfrage: Mit welchen Waffen werden also gerade die Demonstranten in Libyen niedergeschossen, liebe Jungle World?
Richtig, mit Waffen made in USA!

Und wo ihr vom Öl redet... Was meint ihr eigentlich, mit welchen Millionen diese Waffenkäufe bezahlt wurden? Richtig, mit dem Geld aus Ölgeschäften von denen eben nicht nur Europa, sondern auch die USA kräftig profitieren.

Lassen wir diese Spielchen! Im Moment wartet doch jeder darauf, dass der andere zu lange wartet mit der Reaktion auf arabische Protestbewegungen, damit man ihm dann dieses (Antiimperialismus) oder jenes (Israelfanatismus) vorwerfen kann.
Fakt ist: die USA, Israel und sicher auch Europa (in dieser Reihenfolge) haben schwere Imageschäden hinnehmen müssen, weil durch die arabischen Protestbewegungen klar wurde, wie wenig Interesse eigentlich an arabischen Demokratien besteht.
(Das und nichts anderes haben "Palästinafreunde" schon seit Jahren gepredigt.)

Das Niveau der Welt

Das Niveau der Welt:
Die Nähe iranischer Kriegsschiffe ist für Israel umso irritierender, als die militante türkische „Hilfsorganisation“ IHH eine Wiederholung ihrer „Hilfsflottille für Gaza“ angekündigt hat. Es sollen diesmal zwei Konvois werden, ein „westlicher“, bestehend aus 15 Schiffen links orientierter Organisationen aus diversen Ländern, und der eigentliche IHH-Konvoi, zwei Wochen danach. Der erste Konvoi soll zum Jahrestag des blutigen Zwischenfalls um die ursprüngliche Flottille vor Gaza eintreffen. Am 31. Mai 2010 hatten israelische Kommandos das IHH-Flaggschiff „Mavi Marmara“ geentert, und wurden von rund 50 militanten Islamisten mit Messern, Eisenstangen und Schleudern angegriffen. Bei den Kämpfen kamen neun Türken ums Leben, sieben israelische Soldaten wurden verletzt.
Eine einseitigere Sicht wird man selbst bei israelischen Falken nicht finden. Man kann die IHH und ihre Mitglieder an Bord des Schiffes gerne kritisieren aber die Welt bringt es fertig die komplette Schuld auf die Aktivisten zu schieben und die israelischen Soldaten völlig von jeder Schuld freizusprechen.

Was ist mit dem 19-jähirgen Furkan Dogan, hat er nach dem zweiten Kopfschuss noch immer versucht die israelischen Angreifer rückwärts laufend mit seiner Videokamera zu töten? Könnt ihr Experten bei der Welt das mal genauer eklären?

Montag, 21. Februar 2011

"Wie scharf ist das Schwert des Islam?"

Die Frankfurter Rundschau vom 21. Februar
Ja, das war ein entscheidender Punkt. Der zweitälteste Sohn Gaddafis, Seif al Islam, Schwert des Islam, der lange als Thronfolger galt und als Reformer, hat damals das deutsche Ehepaar von der Insel Jolo rausverhandelt.

Der Standard vom 21. Februar

Saif al-Islam - das Schwert des Islam - hat auch enge Beziehungen nach Österreich: In Tripolis studierte er Architektur, im Jahr 2000 ging er an die International Business School in Wien - wo er nicht nur Deutsch lernte, sondern sich auch mit Jörg Haider anfreundete.
DiePresse.com vom Oktober 2009

Name: Saif al-Islam („Schwert des Islam“) al-Gaddafi

Geboren am: 25. 06. 1972 in Tripolis

Hobbys, Lieblingstiere, Freunde: Saif al-Islam brachte zwei bengalische Tiger, Barny und Fred, 1997 zum Studium mit nach Wien, während seines Studiums in Wien lernte er Jörg Haider kennen, der ihn als „Freund“ bezeichnete. Saif al-Islam ist Maler, passionierter Taucher und Skifahrer und mag schnelle Autos.

20 Minuten Online vom August 2007

Wie scharf ist das Schwert des Islam?

...ja, auch der Letzte hat es begriffen. Saif al-Islam, so der Name eines Sohnes von Gaddafi, heißt übersetzt nichts anderes als Schwert des Islam. Gänsehaut inklusive.

Aber was bezwecken diese Nachwuchsetymologen eigentlich mit der Übersetzung? Was genau will man dem Leser damit mitteilen? Nicht zu leugnen ist, dass etwas angedeutet werden soll, sonst würde man schließlich alle anderen arabischen Namen auch übersetzen. Bei Mahmoud, Rashid, Salah, Salim, Khalid und Nur macht das allerdings niemand. Weil dabei nur Worte wie gesegnet, vernünftig, Rechtschaffenheit, Gesundheit, Langlebigkeit und Licht herauskommen und nicht Dinge wie Heiliger Krieg, Schwert des Glaubens oder eben Schwert des Islam.

Aber weil der verrückte Gaddafi-Spross Demonstranten bombardieren lässt und auch sonst ein schlimmer Finger zu sein scheint, kann man schonmal auf seinen martialischen, muslimischen Namen hinweisen. So als hätte er ihn sich selbst gegeben.
Der Name Saif al-Islam ist ursprünglich ein Titel islamischer Herrscher. Mit dem Namen ist demnach ein gewisser Machtanspruch verbunden, was beim größenwahnsinnigen Papa Gaddafi ja kein Wunder ist.

Aber warum nicht in Zukunft auch jeden deutschen Namen übersetzen? Zum Beispiel Eckhard, also der Schwertstarke oder "der im Umgang mit dem Schwert Geübte (Schwertschwinger)", wie es Wiki erklärt.
Das wäre doch mal was!
Auch nett ist der schöne Trendname Eberhardt. Der heißt übersetzt nämlich "der für die Jagd auf den Eber geeignete".

Weidmannsheil!

Samstag, 19. Februar 2011

Da wird sogar mir mulmig zumute...

Gestern war der Kairoer Tahrir Platz einmal mehr überfüllt mit Menschenmassen. Manche Quellen sprechen von Millionen.
Und diese Menschenmassen brüllten folgenden Satz:

عالقدس رايحين, شهداء بالملايين

(Al-Quds rayihin, shuhada' bi-l-malayin)
Nach Al-Quds (Jerusalem) gehen wir, Märtyrer für Millionen

Hier das Video dazu.

Interessanterweise sieht man aber auch jetzt keine religiösen Symbole. Man sieht nicht die Menschen, wie sie den Koran in die Luft halten. Man sieht auch keine Shahada-Flaggen. Die einzigen auffälligen religiösen Symbole sind Schilder auf denen Halbmond und Kreuz vereint abgebildet sind.

Derweil hat die US-Regierung eine weitere UN-Resolution des Sicherheitsrates mit einem Veto blockiert. Die Resolution sollte die Siedlungen in der Westbank für illegal erklären. Es ist übrigens das erste Veto welches die Obama-Administration bisher einlegte.

Zuvor hatte Obama in einem langen, hitzigen Telefongespräch versucht, Mahmoud Abbas dazu zu bringen, die Resolution selbst zu blockieren.
Dadurch wäre es der amerikanischen Regierung erspart geblieben ihr Veto einzulegen. Denn durch die Blockierung dieser Resolution, die von 122 Ländern getragen wird, wird sich die US-Regierung in den arabischen Staaten noch wesentlich unbeliebter machen, als sie es eh schon ist. Es ist schon dramatisch anzusehen, wie sich Obama konsequent all die Sympathien systematisch zerstört, die er durch seine Rede 2009 in Kairo erntete.

Unfassbare Brutalität in Bahrain

DAS ist nicht der Iran oder das "brutalste arabische Regime" Syrien. Das ist ein langjähriger US-Verbündeter!

WO BIST DU OBAMA?

(Im Video läuft eine Gruppe Demonstranten auf entfernt liegende Armeefahrzeuge zu. Einen kurzen Augenblick später wird die Gruppe mit scharfer Munition niedergeschossen.)

Tariq al-Bishri - Ein Mann für das neue Ägypten?

Vielleicht sollte man sich den Namen Tariq al-Bishri merken, denn der Mann könnte noch eine größere Rolle in der politischen Landschaft Ägyptens spielen.
Er ist seit Jahren aktiv in der oppositionellen Szene und hat wichtige Arbeit bei den Gruppen "al-Wasat" und "Kifayah" geleistet.
Jetzt wurde der Jurist dazu berufen das Komitee anzuführen, welches die Verfassung Ägyptens überarbeiten soll.

In der faz soll Joseph Croitoru Kritik an al-Bishri geäußert haben, weil dieser "alles andere als ein Freund der Vereinigten Staaten sei" und Sympathien für die iranische Politik hege, die sich den "Aggressionen Israels" widersetze.
Bei SPON nimmt Matussek zwar Bezug auf diesen Artikel aber scheinbar wurde er wieder aus dem Netz genommen, denn online ist er nirgends mehr zu finden.

Weitere Informationen zu al-Bishri findet man bei den Orientalisten in Münster.
Gleichberechtigung von Kopten und Muslimen und ebenso von Männern und Frauen ist eines seiner zentralen Anliegen. Bei Konflikten zwischen Kopten und Muslimen hat sich al-Bishri immer wieder für die Rechte der Kopten eingesetzt.
auch interessant...
Anders als das alte Regime erkennt die „Partei der Mitte“ ["al-Wasat" Anm. Al-Samidoun] die Möglichkeit an, dass das Staatsoberhaupt auch Christ, ja gar eine Frau sein kann. Eine koptische Christin als Präsidentin Ägyptens?
Wobei ich in einem anderen Bericht gelesen habe, dass es von al-Bishri auch umstrittene Aussagen im Hinblick auf die Kopten gibt.
Möglicherweise zu Recht wird er von manchen Landsleuten aber als "muslimischer Modernisierer" bezeichnet.

Vielen Politikern im Westen dürfte der Mann jedoch ein großer Dorn im Auge sein, nicht zuletzt wegen Aussagen wie dieser:
Our foreign policy is completely detached from our national interests. It is designed so Egypt performs in the Arab and international arenas in the way Washington wants.
Die Außenpolitik Ägyptens sei komplett gelöst von nationalen Interessen. Sie sei so geschaffen, dass Ägypten auf der arabischen und internationalen Bühne handle wie Washington es wolle.

Eine etwas kritischere Sicht auf den Werdegang al-Bishris bietet Nisralnasr:
Bishri is widely considered a leading (if not the leading) public intellectual in Egypt today. This is not to say everyone agrees with him and in recent years he has evoked some significant criticism for his involvement in some very public controversies about the role of Copts and especially the Church in Egyptian society.
In den nächsten Wochen und Monaten werden vermutlich einige Artikel in den deutschen Zeitungen erscheinen, die al-Bishri verteufeln und dämonisieren werden. Vermutlich wird man ihn als blutdurstigen Islamisten darstellen, der wieder die Auspeitschung und das Händeabhacken in Ägypten einführen wolle.

Freitag, 18. Februar 2011

Brutalität gegen Demokratiefreunde

Die Demonstrationen in Bahrain und Libyen werden mit größter Brutalität niedergeschlagen. Den Herrschern ist klar, wenn es Mubarak passieren konnte, dann auch ihnen selbst. Deshalb werden die Diktatoren keine Risiken mehr eingehen und jedes Aufbegehren der Bevölkerung gnadenlos bekämpfen, bevor es zu spät ist. In Bahrain sollen bereits hunderte Panzer und andere militärische Gerätschaften aufgerollt sein.

Die USA werden sich auch bei den Ereignissen in Bahrain zurückhalten. Wahrscheinlich sogar mehr als es in Ägypter der Fall war. Warum? Aus Appeasement gegenüber Saudi-Arabien. König Abdallah hatte in einem Telefongespräch mit dem US-Präsidenten getobt, weil dieser seiner Meinung nach Mubarak im Stich gelassen habe.
Sollten die USA den Sturz eines weiteren alliierten Systems mitansehen oder sogar indirekt unterstützen, dürfte das die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und den USA gewaltig verschärfen.
Denn natürlich könnte ein weiterer Umsturz in unmittelbarer Nähe auch das saudische Königreich destabilisieren.

Die schiitische Geschichte Bahrains
Bis zum Jahre 1782 war Bahrain unter der Kontrolle der schiitischen Perser, deren Oberhoheit über den Inselstaat ein Jahr später von sunnitischen Arabern des Utub-Stammes beendet wurde. Die schiitisch und persisch geprägten Einwohner gerieten dadurch unter die Herrschaft sunnitischer Araber, was bis in die Gegenwardt für viel Konfliktpotential sorgt. Die Familie Khalifa übernahm damals die Macht, die sie bis zum heutigen Tage in der Hand hat.
Knapp 40 Jahre später begann Großbritannien Einfluss auf Bahrain zu gewinnen. Die Herrscherfamilie verbündete sich rasch mit den Europäern um sich dadurch vor persischen und osmanischen Ansprüchen zu schützen. Den Briten war es dadurch möglich einen Marinestützpunkt zu errichten, der später von den USA übernommen wurde.

Genau dieser Militärstützpunkt vor den Türen des Irans ist für die USA von großer strategischer Bedeutung. Sollte tatsächlich die schiitische Mehrheitsbevölkerung Bahrains durch einen Umsturz oder demokratische Reformen bedeutenden politischen Einfluss gewinnen, könnte das die Existenz dieses Hafens extrem gefährden.

Saudische Interessen
Auch in Saudi-Arabien lebt eine marginalisierte aber nennenswerte Anzahl Schiiten. Deren Bevölkerungsanteil schwangt je nach Quelle merklich, mal sind von 5%, mal von 15% oder gar mehr Prozent die Rede. In der Vergangenheit kam es auch dort immer wieder zu Spannungen. Hinzu kommen die Probleme, die die Saudis mit den Schiiten im anderen Nachbarland, dem Jemen haben.
Nicht zu vergessen die sunnitische oder säkulare Opposition in Saudi-Arabien selbst. Ein weiterer Systemsturz hätte bedeutenden Modellcharakter für die Regimegegner im saudischen Königreich.
Dass das Herrscherhaus in Bahrain jeden Umsturzversuch übersteht, liegt also im größten Interesse Saudi-Arabiens, der USA und dem Golf-Kooperationsrat. Selbst das von Qatar finanzierte Al-Jazeera hält sich zurück was die Berichterstattung über die Niederschlagung der Proteste in Bahrain angeht. So gesehen kommen harte Zeiten auf die Opposition in Bahrain zu.

Was bleibt Regimegegnern eigentlich, wenn das System mit größter Härte gegen sie vorgeht? Wenn sie keine Möglichkeit mehr haben "legal" ihre Forderungen durchzusetzen? Wie werden sie jemals die Chance auf eine Veränderung des Systems bekommen? Hierzulande wird man es vermutlich Terrorismus nennen.

"Das Elend der arabischen Kultur"

Gutachsler Hannes Stein nutzt den Rahmen einer Buchrezension um seinem Orientalismus ein wenig Auslauf zu gönnen. Er möchte beschreiben, dass "das arabische Elend in der arabischen Kultur liege" und nicht etwa im Zionismus, Kolonialismus oder den arabischen Diktaturen begründet sei.
Und weil er nicht einmal verheimlichen will, dass er "den Orient" so sieht, wie ihn die Kolonialisten im 19. und 20. Jahrhundert gesehen haben, wird der Artikel mit einem Gemälde im Stile des Orientalismus illustriert. Sand, Kamele und dunkle Gestalten in wallenden Gewändern.

Einer der Hauptgründe für dieses "Elend" sei der Patriarchalismus in der arabischen Welt. "Im Grunde beginnt das Unglück schon in der Familie":
In den meisten arabischen Familien ist der Vater der unumschränkte König: Er herrscht mit eiserner Hand über seine Söhne, er wacht über die Jungfräulichkeit seiner Tochter und zwingt sie unter den Schleier.
Der arabische Herrscher regiere ebenfalls nach diesem Prinzip und weil Araber auch als Erwachsene noch kindlich irrational agieren, fügen sie sich den Anweisungen dieses neuen "Ersatzvaters".
Das ist natürlich exakt die selbe Argumentation, wie sie in den Zeiten des Kolonialismus den Diskurs bestimmte. Die Araber (aber auch Inder und die afrikanische Bevölkerung) seien wie Kinder und der weiße Mann müsse diesen bei ihrer Lebensführung kräftig unter die Arme greifen. So was wie eine Katia Saalfrank für die "sand niggers".
Ähnlich argumentierte Rassist und Gutachsen-Kollege Broder vor einigen Tagen, als bei Maybritt Illner die Proteste in Ägypten und Tunesien besprochen wurden. Laut Broder und auch Illner, die bereitwillig gefallen an diesem Vergleich gefunden hatte, seien Araber "Kinder", die nun vom Westen an die Hand genommen werden müssten, um sie beim Erwachsenwerden zu unterstützen.
Das sprachen sie so selbstverständlich aus, dass nicht einmal ein anwesender arabischer Al-Jazeera Mitarbeiter bemerkte, dass er da gerade von einem clownesken Rassisten diminuiert wurde.

Auf einem wesentlich höheren Niveau wurde das von Stein angesprochene Prinzip des arabischen Patriarchalismus schon in den späten Achtzigern von arabischen Intellektuellen kontrovers diskutiert. Grund war die Veröffentlichung des Werkes "Neopatriarchy" vom palästinensischen Historiker Hisham Sharabi.
Hannes Stein wärmt hier also etwas auf, was in der arabischen Welt durchaus schon heftig diskutiert wurde. Aber wer erwartet von Gutachslern, dass sie sich mit den Diskursen in der arabischen Welt auseinandersetzen?

Hannes Stein weiß noch mehr erstaunliches. Er hat Karl May gelesen und kann jetzt Problemfelder in der arabischen Gesellschaft enttarnen:
Und dann ist da die Vetternwirtschaft, der Tribalismus. Eigentlich ist man als Araber im Nahen Osten gar kein Staatsbürger, sondern Mitglied dieses oder jenes Stammes.
Ich wette, die meisten Araber die diesen Satz gelesen haben werden erst einmal heftig gegrübelt haben, welchem Stamm sie denn eigentlich angehören. Ich habe vorher eine palästinensische Bekannte danach gefragt zu welchem Stamm sie gehöre woraufhin sie mich ziemlich entgeistert anblickte, erst gar nicht verstand worauf ich hinaus wollte und dann etwas zweifelnd fragte: Weißt du's denn? (Weil sie vielleicht dachte, ich hätte das irgendwo nachgeschlagen...)
Natürlich spielt die familiäre Herkunft eine gewisse Rolle in den arabischen Gesellschaften (es gibt nicht nur eine!). Wie überall gibt es angesehene und weniger angesehene Familien. Das hat aber estmal nichts mit "Stämmen" oder irgendwelchen umherziehenden Beduinen zu tun. Auch in diesem Punkt kommt es eben darauf an, welchen Teil der arabischen Welt man meint. In Saudi-Arabien spielt die Bedeutung der Stämme eine wesentlich größere Rolle, als bei einem Palästinenser aus Ramallah.

Ein weiteres Problem der Araber sei deren Rassimus:
Noch ein Problem, auf das Brian Whitaker mit dankenswerter Offenheit hinweist: der Rassismus. Ein Schwarzer wird beinahe im gesamten Nahen Osten noch heute als "abd" bezeichnet, als Sklave. Die Kurden wurden im Irak unter Saddam Hussein Opfer eines Völkermordes.
Da kann Stein nur danken, dass endlich mal jemand den Rassismus gegenüber Schwarzen beim Namen nennt. Der hat ihn sicher immer schwer beschäftigt, wenn er sich von Deutschland aus mit der arabischen Welt befasst hat. Sicher sind ihm die Schwarzen in der arabischen Welt ein Herzensanliegen. Und die Kurden erst! So lange hat er darauf gewartet, dass das mal jemand anspricht!
Bei all dem Dank für Whitaker, wie wäre es, wenn Stein sich erst mal um den Rassismus bei seinen Gutachsen-Kollegen kümmern würde? Natürlich sollte man auf den Rassismus, der eben auch in den arabischen Gesellschaften (es gibt nicht nur eine!) existiert hinweisen. Dass das aber ausgerechnet jemand tut, der für Achgut schreibt ist schon beinahe Realsatire. Dort dürfen seit neustem sogar die extrem rechten Pro Kölner mal so richtig Dampf ablassen und über Türken und Araber herziehen.

(Und bitte wer kam auf die dämliche Idee Saddams Krieg gegen die Kurden als rassistisch begründet zu erachten? Saddam hat sich gerne als direkten Nachfolger Saladins stilisiert. Saladin selbst war Kurde. Saddam hat keinen Völkermord an den Kurden verübt, weil er sie hasste. Er hatte da andere "Gründe".)

Wie dem auch sei. Der Araber kann nach Stein jedenfalls kaum anders, er ist durch das Elend seiner Kultur so geprägt.

Mittwoch, 16. Februar 2011

...und jetzt Bahrain

Bahrain mag ein kleines Land sein, das machthabende Königshaus geht jedoch mit äußerster Brutalität gegen Demonstranten vor.
In Bahrain hatten sich nach dem Vorbild Tunesiens und Ägyptens tausende Menschen auf dem Platz der Perle in Manama versammelt um gegen die Regierung zu protestieren. Die Demonstranten stellen unter anderem Forderungen nach politischen und wirtschaftlichen Reformen.
Gegen 3 Uhr nachts begann die Polizei den Platz zu umstellen und ohne Vorwarnung auf die Menschenmasse zu schießen. Ein Video der Geschehnisse findet sich hier.
Bisher ist von zwischen drei und fünf Toten und hunderten Verletzten die Rede.

Demonstranten auf dem Platz der Perle (ميدان اللؤلؤة)

Laut dem Sender Al-Jazeera (welcher noch zögerlich berichtet, vielleicht auch weil dem Sender die Erlaubnis entzogen wurde in Bahrain zu arbeiten) sind seit dem frühen Morgen bereits dutzende Panzer und andere schwere militärische Fahrzeuge aufgerollt.
Aktivisten berichten zudem davon, dass die Häuser von Demonstranten nachts von der Polizei gewaltsam gestürmt und durchsucht wurden. Dabei soll es auch zu vielen Festnahmen gekommen sein.

Die Situation wird zusätzlich dadurch verschärft, dass die Bevölkerung Bahrains mehrheitlich dem schiitischen Islam anhängt, während das Königshaus der sunnitischen Minderheit des Landes angehört.
Auch in der Vergangenheit hatte es in Bahrain immer wieder Proteste gegen die Regierung gegeben. (Hier ein Video von 2009)
Die Führung des Landes und seine westlichen Verbündeten fürchten, dass der nicht weit entfernt liegende Iran die Schiitien mobilisieren könnte, um das Königshaus zu stürzen.
In Bahrain befinden sich wichtige US-Militärbasen. Neben dem Muharraq-Militärflughafen auch die wichtige Marinebasis "Naval Support Activity Bahrain".

Spaltung des Königshauses?
Ein interessante Entwicklung deutet eine anonyme Quelle beim Angry Arab an. Demnach soll das Königshaus in zwei Lager gespalten sein. Auf der einen Seite stehen König Hamad bin 'Isa Al Khalifa und dessen Sohn Salman, auf der anderen Seite stehen Khalid bin Ahmed und Khalifa bin Ahmed (Verteidigungsminister). Der König solle zunehmend die Kontrolle verlieren. Diesen Prozess würden möglicherweise "ausländische Kräfte" (Saudi-Arabien) forcieren.
Saudi-Arabien hat größtes Interesse an einem stabilen Nachbarland Bahrain.

Die Zeitung "Al-Sharq Al-Awsat" (im Besitz des saudischen Königshauses) berichtet deshalb auch etwas, nun ja, verzerrt über die Geschehnisse in Bahrain. Während sich die heutige Schlagzeilen um gänzlich andere Themen als die Ereignisse im Nachbarland drehen, berichtet die Zeitung in einem Artikel über Demonstrationen für die Regierung in Bahrain. Dazu ist auch ein Bild von Demonstranten zu sehen, die Bilder vom Kronprinzen Salman in den Händen halten. Bilder von Polizisten die auf friedliche Protestierende schießen oder einknüppeln werden nicht gezeigt.
Der König wird zitiert wie er erklärt, dass die Regierung viele Wege geöffnet habe, auf denen man friedlich und legal seine Meinung äußern könne.

Sinai Beduinen unterstützen die ägyptische Revolution

Bei Youtube findet sich die interessante Stellungnahme einiger Stellvertreter der Sinai Beduinenstämme.

Die Stammesvertreter bekunden ihre Unterstützung für die Revolution und versprechen die Grenzen des Staates zu schützen. Außerdem fordern sie, dass die Notstandsgesetze sofort aufgehoben werden.
Wie Hossam al-Hamalawy berichtet, besteht die Gruppe der Stellvertreter aus etwa 350 hauptsächlich jungen Mitgliedern verschiedener Stämme. Versammelt haben sie sich nahe der Stadt Nuweiba am Golf von Aqaba. Nächste Woche soll eine Delegation gewählt werden, die die Beduinen in Verhandlungen mit der Regierung repräsentieren soll.

Vor einem Aufbegehren der Beduinen fürchtet sich auch der israelische Staat. Deshalb hatte er noch der Mubarak-Regierung bei Ausbruch der Proteste bereitwillig gestattet, weitere Truppen auf die Sinai Halbinsel zu verlegen. Aus Angst vor gewaltsamen Übergriffen durch Beduinen hat die israelische Regierung Urlauber dazu gedrängt die Sinai-Gegend umgehend zu verlassen.
In Tel Aviv fürchtet man, dass die Region als Basis für Militante genutzt werden könnte, um von dort aus Angriffe gegen israelische Ziele auszuführen.

Im Schatten der ägyptischen Proteste kam es zu mehreren Vorfällen auf der Sinai-Halbinsel. Erst wurde ein großer ägyptischer Polizeistützpunkt nahe Al-'Arish mit RPGs beschossen und zerstört, später sprengten Unbekannte eine Pipeline, die Gas nach Israel beförderte.

Via 3arabawy

"Paternalistische Reflexe"

Schließlich waren die Proteste in Tunesien und Ägypten nicht nur getragen von der ach so hippen, dem Westen in Werten und Kommunikationsmitteln verbundenen „Generation Facebook“. Ohne die Streiks von Mahalla (Ägypten) und Hawd al Mongamy (Tunesien) 2008 wären die Proteste von 2011 nicht denkbar gewesen - und seinerzeit war es wohl doch eher das klassische Industrieproletariat, das sich trotz Schlagstöcke schwingender und Tränengas sprühender Polizisten auf die Straßen wagte.
Die faz mit dem glänzenden Artikel "Dort die Hoffnung, hier die Sorgen".

Dienstag, 15. Februar 2011

Jemen: Eine Frau bietet dem System die Stirn

Für die, die es vielleicht verschlafen haben. Die Proteste im Jemen werden von einer Frau angeführt. Tawakkul Karman, eine Menschenrechtlerin und Politikerin der Islah-Partei.

"Eine Frau wie tausend Männer"

Hier eine starke Rede vor hunderten Anhängern.
Man mag nicht all ihre politischen Ansichten teilen, auch die Islah-Partei ist vom Islamismus beeinflusst, aber was sie für die Menschen im Jemen tut ist beachtlich und dürfte wieder einige Vorurteile über die arabische Welt zerstören.

"Ja, lieber Mubarak, als Muslimbrüder."

Die Exil-Iranerin Fathiyeh Naghibzadeh gab vor ein paar Tagen der Berliner Zeitung ein etwas wirr anmutendes Interview. Und da die Dame von der Jungle World (hello again!) dazu fähig befunden wird sich als Gesprächspartnerin bei der Podiumsdiskussion "Freiheit auf Arabisch" zu beteiligen, will ich den obskuren Inhalt des Interviews einmal näher präsentieren.

Naghibzadeh ist wütend auf den Westen. Sie bezeichnet ihn als feige, weil er nicht genug Stellung beziehe zu den Protestbewegungen im Iran und den arabischen Ländern. So weit der Konsens. Allerdings scheint sie dabei die Bewegungen in den Regionen gleichzusetzen und das was sie vom Iran weiß, überträgt sie schlicht auf Ägypten und andere arabische Staaten. Das geht nicht wirklich gut.

Und weil Naghibzadeh brav bei ihren "anti"deutschen Kollegen gelernt hat, dass jedes US-kritische Denken unschicklich ist, zaubert sie sich einfach ein anderes westliches Feindbild daher. Europa.
Wütend schimpft sie auf europäische Konzerne, die angeblich die Waffen und Techniken liefern würden, mit denen die Menschen im Iran und in der arabischen Welt unterdrückt werden.
Das Schlimmste ist allerdings, dass europäische Konzerne die Waffentechnik liefern, mit der die Opposition in Ägypten wie im Iran unterdrückt wird: Mobilfunküberwachung, Internetsperren.
Wie perfide diese "europäischen Konzerne" dabei vorgehen beweist, dass sie auf die gelieferten Waffen dreist "Made in USA" drucken.
Spaß beiseite. Die Waffen wurden seit Jahrzehnten von den USA geliefert. Zwischen 2 und 1,3 Milliarden Dollar jährlich gingen seit Sadats Friedensschluss mit Israel allein an das ägyptische Militär. Die Technik zur Internetkontrolle kam ebenfalls aus den USA.
Natürlich sind auch gerade im Iran die Europäer an solchen (Waffen-)Geschäften beteiligt und beteiligt gewesen aber die Rolle der USA auszublenden und deren Politik reinzuwaschen ist ein reichlich billiger Versuch der alten Linie treu zu bleiben um bloß nicht in den schröcklichen Verdacht des Antiamerikanismus zu geraten.
Die Diktatoren von Tunesien über Ägypten bis nach Saudi-Arabien erfahren hauptsächlich Unterstützung aus den USA. Punkt.

Aber als antiamerikanisch will sie nicht gelten. Antiamerikanisch sind andere Leute, nämlich die Europäer denen sie "latenten Anti-Amerikanismus" unterstellt. Warum? Nun...
Die europäischen Medien berichten meist negativ über Mubarak. Der Grund ist klar: Es ist der latente Anti-Amerikanismus der Europäer.
Der Grund ist klar: Weil die Europäer den Ami hassen, berichten sie schlecht über den sonst grundanständigen Husni Mubarak. Weitere Gründe den Diktator zu kritisieren bieten sich nämlich eigentlich kaum, er ist schließlich kein Islamist. In Wirklichkeit haben sich die hiesigen Medien aber selten mit Ruhm bekleckert, wenn es darum ging Untaten des Sadat-Mubarak-Systems beim Namen zu nennen (diese Aufgabe haben daher oft Blogger übernommen). Mubarak war ja schließlich auf unserer Seite.

Für Fathiyeh Naghibzadeh heißt es deshalb im Zweifelsfall: lieber Mubarak als Risiko. Bei Mubarak weiß man schließlich was man hat. Und bevor man sich von einem islamistischen Diktator foltern lässt, lässt man sich lieber von einem "laizistischen" (das war Mubarak nie) Diktator durch Mord und Totschlag zurück auf die staatliche Linie bringen.
Wenn es die ägyptische Opposition nicht schafft, für sich eine kluge, laizistische Position zu finden, den Einfluss der Religion auf Staat und Politik so klein wie möglich zu halten, und sich von den Muslimbrüdern zu distanzieren, dann würde ich sagen: Ja, lieber Mubarak, als Muslimbrüder.
Das ist bitter - für mich als Iranerin, die der Revolution Erfolg wünscht, erst recht.
Ja, das ist bitter für Naghibzadeh, gerade als Iranerin.
Man sollte die Ägypter schön selbst darüber entscheiden lassen, welche Parteien sie wählen wollen. Das heißt vollständige Demokratie jetzt! Und keine zögerlichen, demokratischen Reförmchen die dafür sorgen sollen, dass die Ägypter bloß nicht selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen.
Ich halte rein gar nichts von der Muslimbruderschaft. Wenn sie sich aber in freien, demokratischen Wahlen durchsetzt, dann muss ich diesen Wunsch der Ägypter leider akzeptieren. Demokratie halt. Ich war auch nicht glücklich über schwarz-gelb.

Weil die arabischen und iranischen Demonstranten nicht in das vorurteilsbehaftete Bild der immer grimmigen, blutdurstigen und islamistischen Muslime passen, fragt die Berliner Zeitung hoffnungsvoll, ob man nicht vielleicht sogar gerade den "Untergang der islamischen Welt" erlebe?
So weit möchte Naghibzadeh aber nicht gehen, schon allein weil dann ein lang gehegtes Feindbild wegfallen würde. Dennoch:
Aber man muss sehen, dass im Nahen Osten eine völlig neue Generation von Bürgern entstanden ist - zu Recht spricht man von der "Facebook-Generation". Sie wollen eine offene Gesellschaft. Die Menschen auf der Straße haben gegen ihre Väter demonstriert. Sie haben die Slogans gegen Israel und Amerika nicht übernommen - sie haben es umgekehrt, und gegen Unterstützer des Regimes protestiert. Es wurden auch Parolen gegen die Hisbollah gerufen. Das war ein Affront.
Ja, die ägyptische Facebook-Generation aus Manshiyat Nasir mit Internetanschluss und Netbook im heimischen Pappkarton...

Richtig, in Ägypten gingen die Proteste zwar hauptsächlich von den jungen Menschen aus, was relativ nachvollziehbar ist bei einem Durchschnittsalter von knapp 24 Jahren, aber mit den jungen Menschen demonstrierten auch die alten. Der Erfolg der Ägypter und Tunesier resultiert gerade daraus, dass jung und alt, ja sogar reich und arm gemeinsam auf die Straße gehen.
Und während ihre Freunde von der Jungle World so langsam merken, dass die Ägypter nach wie vor ein Problem mit Israel haben (der Hass gegen Israel sei derzeit allgegenwärtig), lässt Naghibzadeh ihre geheimsten Wünsche von der Leine und erklärt, dass die Demonstranten keine Slogans gegen Israel, sondern gegen Feinde Israels wie die Hizbullah skandiert hätten.

Ganz nach dem Motto: Israel, bis zu ihrem bitteren Ende hast du mit unseren Unterdrückern geknuddelt aber hey, wir finden das nicht schlimm! Lass uns Freunde sein!

Im Iran mag Kritik an der libanesischen Hizbullah vielleicht der Fall gewesen sein, nicht in Ägypten oder Tunesien.
Slogans gegen die Politik der USA und Israels gibt es genug in der arabischen Protestbewegung. Sie mögen nicht im Zentrum der Proteste stehen aber mit der Kritik an Mubarak geht zwangsläufig eine Kritik an den Menschen einher, die das Sadat-Mubarak-System Jahrzehnte lang gestützt haben und das waren, da kann die Jungle World noch so maulen, auch die US-Regierung und die israelische.
Mubarak und Sulayman sah man immer wieder verschmitzt Händchen haltend mit führenden israelischen Politikern und Generälen aber niemals mit Menschen aus Gaza. Die Ägypter sympathisieren allerdings nicht mit israelischen Politikern, sondern mit den Opfern israelischer Politik ob in Khan Yunis, Jenin oder Tyros.

Oh je, Jungle World. Das sind deine Experten für Podiumsdiskussionen über die arabische Protestbewegung? Und dann auch noch Bellizisten wie Thomas von der Osten-Sacken der tatsächlich glaubt, Bush hätte mit dem Krieg gegen den Irak vor acht Jahren die Demokratie in das tausende Kilometer entfernte Tunesien gebombt. Da kann ich auch gleich den Plasberg anschalten und mir von Broder das Ohr mit "pfiffig-kontroversen" NS-Witzchen blutig kalauern lassen.
Nein, danke!

Montag, 14. Februar 2011

Proteste im Iran! ...und warum sie mir nicht ganz so sympathisch sind

Nächster Versuch im Iran. Motiviert durch die Tunesier und Ägypter sind jetzt auch wieder die Iraner auf den Straßen. Hoffentlich haben sie diesmal mehr Glück.

Eines muss ich jedoch deutlich sagen: Wenn ich jetzt beispielsweise bei SPON lese, dass die Demonstranten wieder lauthals die Namen von Mussawi und Karroubi skandieren, dann muss ich einfach sagen, dass mir diese Protestbewegung wesentlich weniger sympathisch ist, als die in den arabischen Ländern momentan.

Wenn Leute wie Mussawi und Karroubi die Anführer dieser Proteste sind, dann mache ich mir durchaus Sorgen um das Ergebnis des Unterfangens.
Beide stehen weiterhin hinter dem System und der Verfassung der Islamischen Republik. Hossein Mussawi hat sich selbst schon als Teil von diesem System die Hände schmutzig gemacht.
Klar, sie mögen ein kleineres Übel sein als die jetzige Führung aber das sollte doch kein Maßstab sein. Die richtige Forderung sollte deshalb die selbe sein wie in Tunesien und Ägypten: Weg mit dem System! Komplett, mit allem was dazu gehört!

Viel Erfolg den Iranern (aber lasst doch Mussawi und Co bitte links liegen).


PS:
Interessant ist auch, wie blitzschnell die US-Regierung diesmal reagiert. Bei den Protesten in Tunesien brauchte sie Wochen, für die Ägypter gab es erst Tage später zögerliche, warme Worte aber für die Iraner wurde bereits jetzt ein Twitter-Kanal auf Farsi von der US-Administration eingerichtet und Außenministerin Clinton hatte sich augenblicklich unterstützend hinter die Proteste gestellt.

Samstag, 12. Februar 2011

Die Parolen nach dem Sturz

Die Parole "الشعب يريد اسقاط النظام" (Das Volk will den Sturz des Systems!) ist momentan nicht wegzudenken aus der arabischen Welt.

Aber was schreien die Tunesier und Ägypter eigentlich, wenn das System gestürzt ist? Die Menschen in Tunis zeigen es (bei 02:50 Minuten). Ja, das wird den Antideutschen nicht in den Kram passen, die gerade urplötzlich ihre Sympathien für die Araber entdeckt haben weil sie glauben, dass nur Islamisten ein Problem mit der israelischen Politik haben und dass den Jugendlichen in Tunis und Kairo (weil sie fast aussehen wie wir) die Palästinenser egal sind.

Sie rufen "الشعب يريد تحرير فلسطين" (Das Volk will die Befreiung Palästinas!)

Man mag sich in den USA und Europa ein Dreck um die Palästinenser scheren, in der arabischen Welt sieht das aber vollkommen anders aus. Da kann man noch so viele Diktatoren kaufen und unterstützen, die Herzen der Bevölkerung gewinnt man damit nicht. Und es ist vollkommen egal ob die Menschen links, islamistisch, säkular, christlich oder muslimisch sind.

(Und weil es so schön ist, hier noch ein Video aus Tunis.)

Chefunterhändler der Palästinenser tritt zurück

Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat stolpert über die "Palästina-Papiere", die via Al-Jazeera veröffentlicht wurden.
Die "Palästina-Papiere" sind hierzulande etwas untergegangen, da natürlich die Ereignisse in Ägypten einigen Platz in den Medien eingenommen haben. Für die arabische Welt war die Veröffentlichung der Dokumente jedoch ziemlich bedeutend und all dies hat nun zum Rücktritt von Chefunterhändler Sa'ib 'Urayqat geführt.
Erekat hat mit seinem Rücktritt die Konsequenzen aus der Affäre um die sogenannten "Palästina-Papiere" gezogen: Er übernehme damit die Verantwortung für den Diebstahl von Dokumenten zum Friedensprozess aus seinem Büro, sagte der Fatah-Politiker am Samstag in Ramallah. Die Veröffentlichung der Dokumente durch den arabischen TV-Nachrichtensender Al-Jazeera hatte weitgehende Zugeständnisse offenkundig gemacht, zu denen die palästinensische Führung gegenüber Israel bereit war.
...weitgehende Zugeständnisse, die es in dieser Form niemals wieder geben wird.

Was sind das nur für aufregende Zeiten?

Auch in Gaza feiern die Menschen

Nach dem Rücktritt Mubaraks feiern jetzt auch die Palästinenser in Gaza den Sieg über das korrupte Regime.
Die Hamas hält sich diesmal zurück, während sie bis vor kurzem noch gegen Solidaritätsbekundungen mit den Ägyptern vor ging. Und weil es jetzt nicht mehr schaden kann lässt ein Sprecher der Organisation verkünden, dass man die ägyptische Revolution begrüße und die Wünsche der Ägypter schätze.

Al-Jazeera berichtet, dass die Einwohner des Gazastreifens im ägyptischen System einen der Hauptgründe für ihre Lage sehen würden und dass ohne die Deckung durch das ägyptische Regime der Krieg im Winter 2008/2009 nicht möglich gewesen wäre.

Saudischer Minister: Palästinafrage von großer Bedeutung

Wie viel Furcht die arabischen Autokraten mittlerweile vor den eigenen Bevölkerungen haben offenbart sich meist in Details. Fraglos ist der Nahost-Konflikt für die Araber nach wie vor von größter Bedeutung. Deren Regierungen handhabten das Problem in der Vergangenheit jedoch äußerst pragmatisch und folgten im Allgemeinen der Politik der USA. Widerstand gegen israelische Militärschläge gab es kaum, Solidaritätskundgebungen mit den Palästinensern wurden so gut es ging unterdrückt und so waren es am Ende türkische Politiker, die ihren arabischen Kollegen vorhielten sich für die Interessen der USA einspannen zu lassen und viel zu zahm zu sein.

Dass die Umstürtze in Tunesien und Ägypten in dieser Hinsicht zu einem langsamen Wandel führen könnten zeigt sich zum Beispiel in einer Stellungnahme des saudischen Außenministers. Der gibt sich plötzlich sehr besorgt um die Probleme der Palästinenser und lässt folgendes verlauten:

وأكد الفيصل في كلمته أن العالم اليوم يموج بالمتغيرات المتواترة، وقال إن «منطقتنا العربية تشهد العديد من التحديات، وهو الأمر الذي يتطلب منا بذل جهود مضاعفة للتعامل مع هذه التحديات، وعلى رأسها القضية الفلسطينية التي تستحوذ على جل اهتمام بلدينا سعياً لاستعادة كافة الأراضي العربية المحتلة، وإقامة الدولة الفلسطينية المستقلة، وعاصمتها القدس الشريف

Kurz zusammengefasst:
Die arabische Region sehe zahlreichen Herausforderungen entgegen, an deren Spitze die Palästinafrage stehe. Von großer Wichtigkeit sei daher die Wiedererlangung des gesamten besetzten arabischen Landes und die Errichtung eines unabhängigen Palästinenserstaates mit der Hauptstadt Jerusalem.

Es ist die kalte, eisige Angst die dort gerade durchs Königshaus schleicht.

Wie bezeichnend...

Wie bezeichnend, dass eine der letzten Amtshandlungen Mubaraks ein längeres Telefongespräch mit dem israelischen General Benjamin Ben-Eliezer war. Der Ben-Eliezer, der im 6-Tage Krieg ägyptische Kriegsgefangene erschießen ließ (von seinen Taten im Libanon und Gaza mal ganz abgesehen). Mubarak telefonierte nicht mit seinen US-amerikanischen Freunden, sondern mit seinen israelischen um sich über seine US-amerikanischen Freunde zu beklagen.
Was sagt das nur den Ägyptern?

Die haben gestern auf dem Tahrir-Platz übrigens unter anderem Parolen geschrien, in denen Mubarak gefragt wurde, wer er denn eigentlich sei, dass er es wage Gaza abzuriegeln und zu belagern.
Und auch die Palästinenser konnten diesmal offenbar ungestört den Sieg der Ägypter, ja der Araber über Mubarak feiern. "Das ägyptische Volk hat das System gestürzt!"

Freitag, 11. Februar 2011

تحيا مصر

Ich weiß, man sollte sich nicht zu früh freuen. Man sollte nüchtern abwarten wie sich die Lage entwickelt angesichts der Machtübernahme durch das Militär. Trotzdem, was die Ägypter bisher geschafft haben ist beinahe unglaublich. "Tonight we party" heißt es, und dem kann man sich nur anschließen!

Tahya Masr!

سقط مبارك

Was würde ich jetzt dafür geben mit den Ägyptern zu feiern...

Antideutsche Experten antworten auf meine Kritik

Eigentlich erübrigt sich jede Reaktion auf die Antwort von Seiten des Jungle World Schreibers Jörn Schulz, auf meine Kritik an seinem Artikel "Die Zeit der Befreiung". Dieser wirft mir nun nämlich vor, ich würde mich um einen Sturz des syrischen Systems sorgen und zumindest mit dem al-Assad Regime sympathisieren.
So schreibt Schulz beispielsweise:
Die größte Sorge der Antiimps ist derzeit, dass die Revolte auf Gaza, Syrien und den Iran übergreift, sodass man nicht mehr von einem „antiwestlichen Aufstand“ sprechen kann. Deshalb beklagt man sich im Blog al-Samidoun darüber, dass ich von Syrien als „dem brutalsten arabischen Regime“ gesprochen habe.
Wie krude das ganze ist sieht man, wenn man nicht nur einen Teilsatz meines Beitrages zitiert, wie Schulz es macht, sondern Zitate in voller Länger wiedergibt:
Nochmal: Ich will das syrische Regime keines Falls loben, es sollte auch gestürzt werden, aber es als "brutaler" als SA, Ägypten oder andere arabische Autokratien zu bezeichnen macht sich an der einzigen Tatsache fest, dass Syrien vergleichsweise israelkritisch ist
Herr Schulz lässt jedoch das "es sollte auch gestürzt werden" bewusst unzitiert. Vermutlich kann nur die Jungle World erklären, wie sich jemand um den Sturz eines Systems sorgen kann, wenn er selbst dazu aufruft.

Und nicht nur das. Was Schulz verschweigt ist die Tatsache, dass ich mich auf al-Samidoun sogar mehrmals für Umstürze in den von ihm genannten Regionen ausgesprochen habe. Nochmal: Ich habe keine Angst davor, dass die Aufstände auf Gaza, Syrien oder den Iran übergreifen, ich habe Angst davor, dass sie es nicht tun!
So habe ich einen kleinen Blogbeitrag zum Iran mit "marg bar jomhuriye eslami" (Tod der Islamischen Republik) unterschrieben oder mich des öfteren vehement gegen die Hamas im Gazastreifen ausgesprochen.
Bei mir basiert diese Hoffnung auf Veränderung in den arabischen Ländern und dem Iran jedoch nicht auf einer Sorge um Israel, sondern auf einer Sorge um die Menschen, die tatsächlich unter diesen Regimes leben müssen.
Oder um es auf eine simplere Formel zu bringen: Der Antideutsche sorgt sich um die iranische Opposition nur deshalb, weil das iranische Regime ein Feind Israels ist.

Anschließend versucht Herr Schulz meine Aussage, Bashar al-Assad genieße unter Syrern größere Popularität als Mubarak unter den Ägyptern mittels Ironie anzugreifen.
Dass Bashar al-Assad bei den Syrern aber vergleichsweise beliebter ist als Mubarak, Salih und Co in deren Ländern, sauge ich mir jedenfalls nicht aus den Fingern. Dazu sei ein Artikel auf Al-Jazeera English empfohlen der sich mit der Frage beschäftigt wie wahrscheinlich eine "syrische Revolution" eigentlich ist.
Doch darum geht es mir eigentlich gar nicht, da ich es selbst nur begrüßen würde, wenn auch in Syrien die Massen auf die Straßen gehen würden, um einen Systemwechsel zu erreichen. Thaura, Thaura hatta al-Nasr!

Wie erwähnt: so einen Systemwechsel wünsche ich mir jedoch in erster Linie für die Menschen, die in Syrien leben und niemals für Israel. Und wäre das syrische Regime ein Freund Israels, würde auch kein antideutscher Hahn vom "brutalsten arabischen Regime" krähen.

Sind die Proteste in Ägypten und Tunesien also antiwestlich?
Antiwestlich sind die Proteste sicher nicht in dem Sinne, dass hier ein "westliches Wertesystem" (so es eines gibt) abgelehnt wird. Sie sind antiwestlich höchstens im Hinblick auf die Politik westlicher Staaten wie den USA, Israel und den europäischen Ländern, die sich nie um das Wohlergehen der Ägypter sorgten, sondern immer nur um das Wohlergehen ihrer Interessen und der israelischen Bürger.
Und nur aus diesem Grund nennt es die US-Administration "Reform", wenn der Chef der Geheimpolizei zum ägyptischen Vizepräsidenten ernannt wird. Man kann nochmal fragen: Hätte es die US-Regierung als "Reform" bezeichnet, wenn Stasichef Mielke zum Vizepräsidenten der DDR ernannt worden wäre?

Glaubt wirklich jemand die Ägypter merken nicht, dass die einzigen Unterstützer des Diktators Mubarak und des Geheimdienstchefs (und Folterspezialisten) Sulayman in der US-Regierung und in der Israels sitzen (von den anderen arabischen Diktatoren einmal abgesehen)?
Natürlich erzeugt es Zorn, wenn sich Mubarak weigert mit den Ägyptern über seinen Abgang zu sprechen und das Thema lieber mit seinen amerikanischen und israelischen Freunden bespricht.
Und natürlich haben sich die ägyptischen (aber auch die tunesischen) Demonstranten nur all zu oft negativ gegenüber dieser amerikanischen und israelischen Politik geäußert.

"Nieder mit Omar Sulayman, dem Mann Israels!"


"Hau ab nach Tel Aviv, sie lieben dich dort sehr, oh Präsident!"

Zum Schluss will ich einen Kommentar zitieren, den ein User unter der Antwort von Herrn Schulz hinterlassen hat und der, wie ich finde, durchaus treffend ist:
Wer hat denn innerhalb der Linken jahrelang erzählt, daß jede Bewegung von unten in den arabischen Ländern nichts anderes sei als der Ausbruch islamistisch-faschistischen Ressentiments gegen die Moderne. Das gegenüber dieser Gefahr der westliche Kapitalismus reinstes Gold wäre und daß diese Staaten erstmal gewaltsam an die Kandare genommen werden müßte. In der Jungle world will uns der Bismarck-Fan Thomas von der Osten-Sacken immer noch weismachen, das militärische Massaker und Kriegsverbrechen a la Irak-Krieg den Weg zum Volksaufstand und zur Revolution in Ägypten geebnet hätte. Wer bitte schön war denn der Verbündete der Amerikaner im Irak-Krieg. Die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz oder der Folterknecht Mubarak?
Ich will die Jungle World nicht komplett schlecht reden. Das hätte sie nicht verdient. Aber wie bei allen antideutschen Publikationen kommt es eben auch bei der Jungle World zu massiven Wahrnehmungsstörungen, wenn es um den Nahen Osten geht.
Bei der Lektüre mache ich das gleiche wie bei der konkret. Ich lese nur die Artikel die rein gar nichts mit dem Nahen Osten zu tun haben.
Dann wird man normalerweise nicht enttäuscht. Und wenn das mal keine versöhnlichen Worte sind...

____
Nachtrag 11.02.2011 - 18:38:
Der von mir zitierte Kommentar zum Artikel von Jörn Schulz wurde offensichtlich gelöscht.

Donnerstag, 10. Februar 2011

Protestbewegung in Ägypten: Wer steht wo?

Issandr al-Amrani hat sich die Mühe gemacht und eine kleine Mindmap erstellt auf der veranschaulicht wird, wer bei den Protesten in Ägypten auf welcher Seite steht.

Imageverluste haben sicher die großen religiösen Institutionen einzustecken. Die Azhar-Gelehrten wie auch die koptische Kirche stellten sich hinter Mubarak, als draußen die Leute niedergeknüppelt wurden, die sie zu vertreten vorgeben.
Auch die Muslimbruderschaft kann sich nicht so recht entscheiden, ob sie schon verhandeln will wenn Mubarak noch im Amt ist oder erst nach einem kompletten Rückzug Mubaraks. Riecht - wie nur zu oft bei den Muslimbrüdern - nach Opportunismus.

Samstag 12.02. Solidemo für Ägypten und Tunesien in Düsseldorf

Am Samstag den 12.02. findet in Düsseldorf (HBF) eine Kundgebung zur Unterstützung der Protestbewegungen im Nahen Osten und Nordafrika statt.

Unter anderem werden folgende Forderungen vertreten:
Sofortiger Stopp der Waffenlieferungen
an die reaktionären Regimes!
Stopp der deutschen und internationalen
Unterstützung für das Mubarak-Regime!
Keine Aufnahme von Mubarak in Deutschland!
Hoch die internationale Solidarität!
Mehr Informationen bei der Roten Antifa.

Reform oder Demokratie?

Angry as usual pointiert Abu Khalil in diesem Clip warum die US-Administration nicht von Demokratie reden will und stattdessen "Reform" sagt.
Und warum es die US-Regierung "Reform" nennt, wenn der Kopf der Geheimpolizei, Omar Sulayman zum Vizepräsidenten ernannt wird.
Da passt die Analogie wirklich: Hätte ein US-Präsident es schmeichelnd und wohlwollend als "Reform" bezeichnet, wenn die DDR-Regierung Stasichef Erich Mielke zum Präsidenten oder Vizepräsidenten ernannt hätte? Wie verschoben ist unsere Wahrnehmung eigentlich?

Glaubt die US-Regierung ernsthaft, dass sie mit solchen Handlungen die Herzen der Ägypter gewinnt?

Dienstag, 8. Februar 2011

Genug Gaddafi! Aufruf zu Protesten am 17. Februar in Libyen

Inspiriert von den Vorgängen in Tunesien und Ägypten rufen auch Libyer zu Protesten gegen die Regierung und den Diktatorsaurier Qaddafi auf. Als Datum wird der 17. Ferbuar angepeilt.

Viele weitere Informationen finden sich auf der (englischen) Dissidentenseite enoughgaddafi.com, wo man auch ein Album arabischer Rapsongs kostenlos runterladen kann.

Tunesien schafft Todesstrafe ab

...steht zumindest auf der Seite von al-Badil. Viel findet man bisher nicht dazu. Auf Englisch habe ich diesen Blogartikel gefunden.

Die letzte Hinrichtung ist zwar bereits 20 Jahre her aber eine ausdrückliche Abschaffung der Todesstrafe ist dennoch ein wichtiges Signal. Zumal auch der Beitritt zu weiteren Menschenrechtsabkommen beschlossen wurde.

Sonntag, 6. Februar 2011

Kein Fußbreit den Muslimbrüdern!

Die Sorgen sind groß, dass die Muslimbruderschaft eine einflussreiche Kraft werden könnte in einem demokratischen Ägypten. Man wirft ihr vor sie sei antiwestlich, antizionistisch, antisemitisch und wolle die Demokratie dazu benutzen einen Theokratie zu schaffen. Ob und in welchem Maße das alles zutrifft, sei mal dahin gestellt.

Doch hat der Westen nicht seine ganz eigene Affäre mit der Muslimbruderschaft? Unter Eisenhower beispielsweise wollten die USA mit Hilfe der islamistischen Organisation den Einfluss der "atheistischen" Sowjetunion bekämpfen. Damals lud die Universität Princeton gewichtige islamische Theologen zu einer Konferenz, um sie gegen die Sowjets in Stellung zu bringen. Einer der Gäste war Sa'id Ramadan, ein führendes Mitglieder der Muslimbruderschaft (und Vater Tariq Ramadans). Selbst die CIA nannte ihn damals einen "Phalangisten" und "faschistisch".

As'ad Abu Khalil bemerkt außerdem zutreffend, dass die (käuflichen, opportunistischen) Muslimbrüder seit der Revolution 1952 ein Regime ganz besonders bekämpften. Das von Gamal Abd al-Nasir, während sie sich zu Zeiten Sadats und Mubaraks weit mehr zurück hielten. Nicht nur das ist vielsagend.

Recht interessant ist daher der Artikel Washington's Secret History with the Muslim Brotherhood.

Auf solche Episoden sollte man hinweisen. Ich kann mir schon vorstellen, dass sich so mancher gerade überlegt, ob er sich nicht für die Muslimbruderschaft ausspricht, weil er glaubt, diese wären der palästinensischen Sache dienlicher.

Fayyad-Regierung geht gegen Ägypten-Tunesien-Solidaritätsdemo vor

Die palästinensische Autonomiebehörde zeigt mal wieder auf wessen Seite sie steht. Sie geht gegen Solidaritätsdemos für die Ägypter und Tunesier vor, organisiert Pro-Mubarak Kundgebungen und bezeichnet Al-Barada'i als CIA-Agenten. Wer sich davon überzeugen möchte schaue bei MondoPrinte vorbei und beachte dort auch die beiden Videos.

Sollten die Palästinenser tatsächlich solche Leute wollen, um mit Israel einen Frieden auszuhandeln?

Zu den Videos:
Keiner der Demonstranten trägt eine Fahne der Fath oder der Hamas. Ein paar Demonstranten tragen Bilder von Gamal Abd al-Nasir. (Der Ägyptische Präsident, der zurücktreten wollte aber dann im Amt blieb, weil hunderttausende Menschen in der arabischen Welt für ihn demonstrierten.) Neben Palästinaflaggen sieht man ägyptische und tunesische.

Samstag, 5. Februar 2011

Revolutionärer Nachwuchs

Im Fernsehen hat gerade ein Schlauberger erzählt, die Ägypter wären mit dem US-Israel-Wunschkandidaten und ehemaligen Geheimdienstchef Omar Sulayman zufrieden.
Für die, die es verschlafen haben: Sulayman hat keinen Rückhalt bei den Ägyptern. Er wird als das gesehen, was er ist. Ein Handlanger der USA, der nun auf seine Chance lauert.

Hier zeigt ein kleiner Junge, was er von Mubarak, Sulayman, Shafiq und deren Verbündeten hält.


Ein paar seiner Parolen (die sich alle reimen auf Arabisch):
"Kein Shafiq, Kein Sulayman! Sie sind Handlanger der Amerikaner!"
"Guten Morgen Mubarak, heute ist dein letzter Tag!"
"Revolution! Revolution bis zum Sieg! Revolution in allen Straßen Ägyptens!"

Antideutsche Experten: Syrien "das brutalste arabische Regime"

Es ist ein Genuss "antideutschen" Nahost-Experten dabei zuzusehen, wie sie immer wieder gegen die Plexiglasscheiben ihres beengten Weltbildes dotzen und nicht so recht wissen, wie sie aktuelle Geschehnisse einordnen sollen.

Spätestens mit dem Beginn der Proteste in Ägypten hatte ich mich recht schnell gefragt, wie wohl die antideutsche Fraktion auf die Ereignisse reagieren würde. Schließlich, und das wurde in den letzten Tagen ständig heruntergebetet, gehen dort keine Islamisten, sondern ganz normale Leute auf die Straße und fordern keinen Gottesstaat, sondern Demokratie. Sogar Leute, die fast so aussehen wie wir (gelle Jungle World?).
Auf der anderen Seite ist das Mubarak-Regime ein Verbündeter Israels (wie nahezu alle anderen arabischen Diktaturen) und hat nie damit gezögert die gewünschte Politik durchzusetzen (Abriegelung des Gazastreifens und der Grenze zu Ägypten, Unterdrückung "gefährlicher" Palästinasolidarität in Ägypten, etc...).

Also wie damit umgehen? Dafür oder dagegen?
Kurz gesagt: ganz so schwer ist es dann doch nicht für unsere deutschen "Linken". Feind bleibt zumeist Feind, und Freund bleibt zumindest so lange Freund, bis er von demokratischen Kräften aus dem Land gejagt wird und es beinahe obszön wäre ihn weiter zu unterstützen.

Jörn Schulz weiß daher durchaus Interessantes zu berichten in der neuen Jungle World. Entzückt erzählt er von den Aufständen in anderen arabischen Ländern:
Protestiert wird auch im Sudan, im Jemen und sogar in Syrien, unter dem brutalsten arabischen Regime.
Und da schnappt die Falle zu! Die typisch antideutschen Denkmüsterchen können nicht verlassen werden. Syrien als "brutalstes arabisches Regime".

Seltsamerweise hat das brutalste arabische Regime wesentlich mehr Rückhalt in der Bevölkerung als die, laut Jungle World, weniger brutalen Regimes in Saudi-Arabien, Ägypten, Jemen, und so weiter...
Das Konterfei al-Assads ziert zahllose Haushalte, Autos und Gebäudefassaden. Und auch wenn Broder vorgestern Syrien als "islamistischen Staat" bezeichnete, spielt Religion eine eher unbedeutende Rolle. Allein schon weil die Führung einer religiösen Minderheit angehört und es sich kaum erlauben könnte, die islamistischen Kräfte so zu fördern, wie es die ägyptische Führerbande tat.

Nochmal: Ich will das syrische Regime keines Falls loben, es sollte auch gestürzt werden, aber es als "brutaler" als SA, Ägypten oder andere arabische Autokratien zu bezeichnen macht sich an der einzigen Tatsache fest, dass Syrien vergleichsweise israelkritisch ist. An nichts anderem.

Ich weiß ja nicht ob es bis zur Jungle World vorgedrungen ist: In SA, dem Königreich des Horros, wird Menschen noch der Schädel vom Kopf geschlagen, wenn sie Verbrechen und "Verbrechen" begehen. Frauen nehmen am gesellschaftlichen Leben kaum teil und dürfen nicht einmal Auto fahren. SA hat eine Religionspolizei, die rigoros gegen "unreligiöse" Handlungen vorgeht und Übeltäter mit dutzenden, manchmal hunderten Peitschenhieben bestraft oder einfach an Ort un Stelle verprügelt.
Liebe Jungle World, in Syrien werdet ihr DAS nicht finden. Keine Enthauptungen, keine Auspeitschungen, keine Religionspolizei. Syrien hat eine christliche Minderheit, die ihren Glauben leben darf. Dort sind keine Kirchen und Bibeln verboten. Das erkennen auch die syrischen Christen an.
Aber das Königreich des Horrors ist ganz okay, weil nicht gegen Israel. Stimmts Jörn?
Schlimm ist es laut Jungle World vor allem dort, wo man nicht mit Israel kooperiert. Deshalb wurde immer ausgiebig über die Situation im Iran berichtet und alle anderen Schreckensherrschaften großzügig vergessen. Oder im Klartext: so lange Israel nicht bedroht ist, ist Diktatur und Unterdrückung okay.

Nebenbei: In Syrien ist keine Demonstration zustande gekommen. In Schulzens Liste fehlen dafür ein paar US-Verbündete wie Jordanien, Saudi-Arabien, wo es nach einer Protestkundgebung dutzende Verhaftungen gab oder Bahrain.

Apropos Kritik an der westlichen Politik.
Neben diversen Verschwörungstheorien gab es im Nahen Osten immer eine berechtigte Kritik an der westlichen Politik.
Und darauf kommt ihr JETZT? Schön dass du, liebe Junlge World, das nun zugeben kannst. Galt dir Kritik an der westlichen Nahost-Politik doch stets als antiimperialistische und damit antisemitische Hetze. Und jetzt plötzlich willst du heimlich, still und leise dein Fähnchen um ein paar Grad drehen?
Die Araber danken euch, für eure treue und selbstlose Unterstützung ihrer demokratischen Anliegen. So, wie sie Obama dankten, der just in dem Moment aufhörte den Diktator Ben Ali zu unterstützen, als er aus Tunesien geflohen war.
Danke für nichts!

Aber vielleicht gibt es noch einen Hauch Hoffnung für unsere antideutschen Spaßmacher:
Bedauerlich ist jedoch, dass die israelische Regierung sich so eifrig für Mubarak engagiert. Denn die Demokratisierung ist die beste Chance für den Frieden (siehe Interview Seite 6). Überdies wurden die Islamisten von den Autokraten gestärkt, teils direkt, wie in den siebziger Jahre in Ägypten von Anwar al-Sadat, teils indirekt durch den nicht zuletzt von Mubarak protegierten reaktionären Staatsislam, der sich kaum vom Fundamentalismus unterscheidet.
Na, das ist ja schon fast antisemitisch und in jedem Fall antizionistisch, liebe Jungle World. Was kommt bitte als nächstes? Sympathien für islamofaschistische Palästinenserterroristen? Dass, ihr euch damit mal nicht zu weit aus dem Fenster eurer kleinen Studenten-WG gelehnt habt.

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Nachtrag 11.02.2011:
Antwort von Jörn Schulz
und meine Reaktion.

Freitag, 4. Februar 2011

Sie sorgen sich wirklich um die Ägypter....

Während die Mubarakgang gezielt Demonstranten über den Haufen fährt, melden sich nun besorgt die ersten Organisationen um...
...verzweifelt auf das Schicksal der Haustiere von Amerikanern hinzuweisen, die nach der Flucht ihrer Herrchen nun ganz alleine sind.
Rund 2400 Amerikaner wurden vom US-Außenministerium aus Ägypten ausgeflogen - doch was passiert mit den zurückgelassenen Haustieren? Die amerikanische Tierschutzvereinigung PETA hat aufgrund dieser Sorge das Außenministerium in Washington aufgefordert, sich um die Hunde und Katzen geflohener US-Bürger in Ägypten zu kümmern. Das Ministerium habe sich bislang geweigert, so PETA.
Das erinnert mich an den Streifen Waltz with Bashir. Beirut steht in Flammen, die Einwohner von Sabra und Shatila werden massakriert und die israelischen Soldaten verdrücken Tränchen, weil tote Pferde auf den Straßen liegen.