al-Samidoun

Kommentare und Berichte zu Politik, Religion und Kultur mit Fokus auf den Nahen Osten.

Sonntag, 24. April 2011

Saudische Manipulation der Revolutionen?

In vielen Regionen in denen seit den letzten Wochen und Monaten immer wieder protestiert wird, verschaffen sich offenbar vermehrt Salafisten, Jihadisten und andere Bin-Laden-Fans Gehör. Diese Entwicklungen sehe ich in einem Zusammenhang mit dem Interesse Saudi-Arabiens (und anderer Golfstaaten) die arabischen Revolutionen zu kapern oder wenigstens zu beeinflussen. In keiner Weise treffen die folgenden Beobachtungen auf alle oder einen großen Teil der arabischen Demonstranten zu. Gemeint ist ein kleiner aber unter Umständen zukünftig bedeutsamer Teil.


Syrien
In Syrien werden neben den anti-schiitischen und anti-iranischen unter anderem auch Parolen wie "Al-'Alawiyye bi-l-tabout, wa masihiyye 'al-Beirout!" skandiert ('Alawiten in den Sarg! Christen nach Beirut!).
In diesem Sinne betrachte ich Slogans gegen den Iran und die Hizbullah teilweise auch als salafistisch motivierte Rufe nach einer konfessionellen Homogenisierung des Landes, also als quasi-Aufforderung zu einer Säuberung der Region von Schiiten bzw. anderer Glaubensgemeinschaften. Nicht, dass es nicht vollkommen legitim und wünschenswert ist sich gegen die iranische Diktatur auszusprechen; bei einigen Demonstranten sehe ich die Gegnerschaft zum Iran jedoch eher in einer ausgeprägt anti-schiitischen Haltung begründet. Oder glaubt tatsächlich jemand, die syrischen Demonstranten hätten plötzlich ihre Liebe zum israelischen Staat entdeckt und würden sich jetzt aus reiner Zuneigung Israels gegenüber, gegen die iranische Diktatur wenden?
Der Motor dürfte bei manchen dieser Demonstranten eher eine Liebe zum Wahhabismus, als eine Liebe zum Zionismus sein.
So wurde im Libanon kürzlich einer dortigen islamistischen Hizb al-Tahrir Gruppe verboten eine Demonstration zur Unterstützung der syrischen Opposition abzuhalten.

Wie gesagt: das gilt für einige Demonstranten. Viele andere stellen sich gegen konfessionelle Spaltungen wie hier bei der Beerdigung eines Syrers, der von Scharfschützen erschossen wurde.
(In etwa: "Der Islam und das Christentum sind eine vereinte Hand")

Syrer, keine Salafisten.

Auf dem kleinen Schild steht: Wir sind Syrien, wir sind keine Salafisten. Auf dem großen Schild steht in ironischer Anspielung auf den ermordeten syrischen Christen Hatim Hanna: Ist der Märtyrer Hatim Hanna ein christlicher Salafist?
Denn nicht zuletzt hat natürlich auch das syrische Regime Interesse daran, die Demonstranten als Salafisten zu diskreditieren.


Jemen
Während man sich in den deutschen Medien freut, dass die Golfstaaten nun offenbar eine "Lösung" für das "Problem" im Jemen gefunden haben, muss man sich vor Augen halten, dass es eben immer noch eine "Lösung" der Golfstaaten ist. Mancher fragt sich tatsächlich, ob man jetzt ein "jemenitisches Wunder" erleben darf. So als ob der Golfkooperationsrat auch nur den Hauch von Interesse an Demokratisierung in der Region habe. Eine von den Golfregierungen ausgehandelte Lösung ist immer im Interesse dieser Regime und damit automatisch nicht im Interesse der Bevölkerung. Oder erwartet man tatsächlich progressive Schritte von "Musterdemokratien" wie Saudi-Arabien?
Sollte also dieser Schachzug der Golfregierungen trotz massivem Protest der jemenitischen Demonstranten aufgehen, dann wäre das mit großer Sicherheit eine Niederlage für die Demokratiebewegung im Jemen.


Jordanien
Während der Proteste am sichtbarsten waren die Salafisten und Jihadisten bisher in Jordanien. Gewaltbereit und aggressiv posierten bärtige Messerschwinger öffentlichkeitswirksam vor den Kameras.

Salafistischer Demonstrant in Jordanien

Anschließend kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht, wobei etwa 80 Menschen verletzt wurden.
Zwar gibt es berechtigte Vermutungen, die jordanische Führung würde die Salafisten benutzen, um die Demokratiebewegung zu diskreditieren und ein hartes Vorgehen gegen selbige zu rechtfertigen, unterschätzen sollte man diese Minderheit jedoch auf keinen Fall.


Ägypten
Während es wenigstens so scheint, als würden sich nach dem Sturz Mubaraks die Spannungen zwischen der ägyptischen und der saudischen Regierung verschärfen, versucht das Königreich seinen Einfluss in Form von Salafisten am Nil geltend zu machen. Kürzlich war bei Protesten gegen einen Bürgermeister im Bezirk Qina von Salafisten die saudische Flagge gehisst worden. Zwar demonstrierten tags darauf auch andere ägyptische Bevölkerungsgruppen (darunter Kopten) gegen den unbeliebten Bürgermeister, die Salafisten konnten jedoch eine beachtliche Anzahl Unterstützer mobilisieren.

Doch auch Ägypter wenden sich klar gegen solche Auswüchse und sehen darin den Versuch einer saudischen Einflussnahme:

"Nein zum amerikanischen Imperialismus und seinem
wahhabitischen Werkzeug in Ägypten und der Region"



Alles nur ein Schwindel?
Auf der anderen Seite sind Schreckgespenster wie Salafisten, Jihadisten und andere Bin-Laden-Anhänger ein willkommener Anlass der Außenwelt zu zeigen, dass es auch in ihrem Interesse ist, wenn die arabischen Regierungen hart gegen die Demonstranten vorgehen. Zu groß ist die Angst vor einem weiteren Erstarken des fundamentalistischen Islam. In Syrien führt das Regime die "Unruhen" direkt auf Salafisten zurück und wirft diesen auch den Mord an Demonstranten und Polizisten vor. Auch im jordanischen Königshaus ist man sicherlich nicht unglücklich darüber, dass Salafisten mit ihren Waffen vor den Kameras herumfuchteln und ein bedrohliches Bild abgeben. Vor diesem Hintergrund hält man im Ausland still, wenn man hart gegen die Demokratiebewegungen vor geht.
Dennoch wird in arabischen Internetforen die Angst ausgedrückt, Syrien könnte sich in eine Art "Kandahar" verwandeln und auch die ägyptischen Kopten haben die Regierung über ihre Sorgen unterrichtet, ein Erstarken der Salafisten stelle für sie eine große Bedrohung dar. Zweifellos hat Saudi-Arabien großes Interesse daran über islamistische Gesinnungsgenossen den Einfluss auf die anderen arabischen Länder vergrößern, diese Bedrohung spielt aber zugleich anderen Regierungen in die Hände, die so ihr hartes Vorgehen rechtfertigen können.

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