Die Bundesrepublik hat nun, erstmals in ihrer Geschichte seit den frühen sechziger Jahren, nicht nur eine proisraelische, keiner Palästinensersympathie mehr verdächtige Linke, deren Organe von „Konkret“ bis zur „Jungle World“ reichen. Sie hat auch eine ebenso gestimmte Rechte. Ein Datum, das man sich notieren sollte.
Es ist unheimlich aber in dieser Einschätzung liegt die faz vollkommen richtig. Man kann es drehen und wenden wie man will: die Zeiten der Solidarität mit den Palästinensern ist vorbei, bevor sie richtig begonnen hat. Ob in der Mitte oder im politisch rechten und linken Spektrum.
Doch was hat diesen Umschwung in der Meinung verursacht? Schaut man sich einmal die Entwicklungen der vergangenen Jahre an, dann muss man um so mehr staunen, dass ausgerechnet die Sympathien für Israel und nicht für die Palästinenser gestiegen sind.
Das Ende der Israel-freundlichen Geschichtsschreibung
Die ursprüngliche Propagandageschichtsschreibung von bösartigen Arabern und herzensguten Israelis ist spätestens in den Achtzigern mit den so genannten „Neuen Historikern“ widerlegt worden.
Seit Auswertung zuvor geheimer, israelischer Armeedokumente kann heute jeder die tatsächlichen Geschehnisse in Geschichtsbüchern nachlesen.
Die palästinensische Geschichtsvariante von Vertreibung und Enteignung, die vorher als Propagandamärchen abgetan wurde, ist heute gut belegt und wird selbst von eisenharten Zionisten nicht mehr geleugnet.
Was also vorher als Kampf Davids gegen Goliath die Sympathien für Israel weckte, gilt heute historisch als Fehldarstellung.
Israels ist so sicher wie selten
Israel ist heute nicht mehr von Feinden umgeben, sondern von stillschweigenden Freunden und Sympathisanten. Das ist zwar schon seit Jahrzehnten so, aber mittlerweile lässt sich auch dieses Faktum nicht mehr einfach weg erklären. Nicht zuletzt dank Wikileaks.
Während in den 70ern Angriffe auf israelische Diplomaten und andere Beamte auch außerhalb Israels eine reale Gefahr darstellten, sind Repräsentanten des Staates heute so sicher wie nie zuvor.
Auf der anderen Seite hat Israel Morde dieser Art nicht eingestellt. Der israelische Geheimdienst bedient sich für seine Exekutionen an unliebsamen Personen sogar besonders dreister Methoden, in dem er Pässe befreundeter Staaten fälschen lässt und mit deren Hilfe im Ausland Verbrechen begeht. Ob Hamasmitglieder in Dubai oder iranische Atomwissenschaftler. Ernsthafte Konsequenzen sind jedoch auch hier nicht zu erwarten.
Wie steht es also um die Sicherheit Israels?
Nun, es gibt keine Selbstmordattacken mehr in Israel. Sonstige Terrorangriffe wie der durch die Hamas auf israelische Siedler vor einigen Wochen sind so selten, dass es selbst die israelischen und US-amerikanischen Medien eingestehen.
Die Palästinensische Autonomiebehörde arbeitet Hand in Hand mit der Besatzungsmacht bei der Bekämpfung jeder kleinsten Regung von Widerstand.
Öfters hat man in den vergangenen Monaten davon gelesen, dass die israelische Armee sich aus verschiedenen Stützpunkten der Westbank zurückziehen konnte, weil die PA Polizei nun für die israelische (nicht jedoch die palästinensische) Sicherheit garantieren kann. (Ein übliches Phänomen aus der Geschichte des Kolonialismus.)
Sogar die berüchtigten Raketen der Hamas und des Islamischen Dschihad fliegen kaum noch und haben in diesem, knapp vor dem Ende stehenden Jahr, in Israel einen thailändischen Gastarbeiter getötet und insgesamt gesehen in sieben Jahren 16 Menschen das Leben gekostet. Das ist viel aber steht in keinem Verhältnis zu den Toten auf palästinensischer Seite.
Heute versucht die Hamas stattdessen mit allen Mitteln Raketenabschüsse aus dem Gazastreifen zu verhindern.
Lediglich dem Iran könnte man vorwerfen, er stelle eine Bedrohung für Israel dar. Wobei man sich fragen muss, ob der Iran nicht vor allem deshalb an einer atomaren Bewaffnung interessiert ist, weil das Fadenkreuz der USA direkt auf seine Stirn gerichtet ist und es seine beiden Nachbarländer Irak und Afghanistan bereits erwischt hat. Man stelle sich die Haltung der USA vor, wenn Kanada und Mexiko bereits von feindlichen Truppen überrannt worden wären und diese die USA zum nächsten Ziel erklärt hätten. Eine gewisse Nervosität würde man sicher auch in Washington spüren.
Kaum außenpolitischer Druck
Der Gazakrieg 2008/09 tötete aberhunderte palästinensische Zivilisten und legte den Gazastreifen in Schutt und Asche während auf israelischer Seite drei Zivilisten ihr Leben verloren haben.
Die Zeiten, als auch auf israelischer Seite hunderte tote Soldaten zu beklagen waren sind endgültig vorbei. Es sind diese Konflikte an denen man erkennt: Israel hat keinen Feind in der Region der auch nur ansatzweise gefährlich werden könnte; der auch nur im Entferntesten mit diesem hochmodernen Militärapparat mithalten kann.
Und trotz der katastrophalen Folgen für die Bevölkerung des Gazastreifens waren die Reaktionen auf den Krieg verhalten, was die Regierungen der Welt angeht.
Der auf den Krieg folgende Goldstone-Report schlug zwar kurzzeitig Wellen, die Sache verlief sich jedoch schnell wieder im Sande.
Und selbst offensichtlich kritikwürdige Handlungen wie die Stürmung der Gaza-Flotte haben keine ernsthaften Konsequenzen nach sich gezogen.
Ja, selbst die Türkei signalisiert bereits wieder, dass man gerne einen Schlussstrich unter den Vorfall ziehen würde.
Siedlungsbau und andere Friedenshindernisse
Niemand kann heute noch leugnen, dass das größte Hindernis zu einem Frieden die israelische Siedlungspolitik ist.
Seit dem Tode Arafats sind Mahmud Abbas und Muhammad Dahlan die größten Geschenke, die Israel bisher gemacht werden konnten. Jedenfalls geht von solchen Personen absolut keine Gefahr aus für die israelischen Interessen.
Andere Gruppen wie die PFLP sind abhängig von den Dollarscheinchen der Autonomiebehörde und halten sich brav zurück, maschieren hier und dort nochmal in purpurroten Uniformen auf und ergehen sich sonst in sentimentalen Erinnerungen an mehr oder weniger märtyrerhaft verschiedene Figuren wie Habash oder Abu Ali Mustafa.
Auf der israelischen Seite steht dagegen eine starke Regierung an der sich die Obama-Administration die Zähne ausgebissen hat und die nahezu unbeschadet, das heißt ohne ernsthafte außenpolitische Schwierigkeiten, den Mord an Mabhouh und das Flotillen-Massaker überstehen konnte und sogar munter und ungehindert mit dem Siedlungsbau fortfährt.
Hält man sich diese Fakten vor Augen erscheint es wirklich erstaunlich, dass die Solidarität mit Israel weiter zunimmt, während die Parteinahme für die Palästinenser stetig schrumpft.
Der Islam als Feindbild?
Auch wenn man auf Zuspruch von Rechts gerne verzichten kann bleibt die Frage interessant, was sämtliche Bevölkerungsteile in Deutschland zur Solidarität mit Israel treibt.
Ehrlich gesagt habe ich dazu auch keine einleuchtende Erklärung. Soll es wirklich alles nur am islamistischen Terror liegen?
Ich war zwar schon immer der Meinung, dass der 11. September mit das schlimmste war, was der palästinensischen Sache passieren konnte aber eigentlich müsste jedem Interessierten sehr schnell klar werden, dass diese Erklärung alleine nicht ausreicht.
Und doch spielt der Islam eine Rolle.
Seit der "Islamisierung" des Konfliktes ist es für einen Europäer schwierig geworden sich mit der palästinensischen Sache zu identifizieren. Wie will man einem Linken schon klar machen, dass israelische "Ungläubige" verbotenerweise "islamisches Land" besetzt halten?
Als der Konflikt noch als Kampf gegen Imperialismus und Neokolonialismus gesehen wurde, boten die Palästinenser wesentlich mehr Fläche für Sympathien. Islamisten jedoch, die überall auf der Erde Terror verbreiten verdienen nun einmal keine Parteinahme von vernünftigen Menschen. Und die pro-israelischen Gruppen lassen keine Chance aus den Nahost-Konflikt genau so darzustellen: als Kampf von muslimischen, religiösen Wahnsinnigen gegen weltoffene, friedliche Juden, Christen und Atheisten.
Die "Islamisierung" des Konflikts hat den Palästinensern also mehr geschadet als vieles in der Geschichte des Konflikts.
Es ist kaum verwunderlich, dass vor allem Saudi-Arabien hinter der Islamisierung der palästinensischen Gruppen stand. Der rechte Flügel der Fatah um Arafat nahm das saudische Ölgeld gerne an, während Leute wie Abu Iyad an Gewicht verloren.
Und auch für die israelische Politik ist eine Hamas im Endeffekt nützlicher als eine säkulare Widerstandsgruppe. So lässt sich wunderbar zeigen, dass Israel den gleichen Kampf gegen religiöse Fanatiker führt, wie alle westlichen Regierungen. Von Schweden, über China und Russland bis in die USA.
Dass eine Sauerlandgruppe von gänzlich anderen Motiven getrieben ist, als ein palästinensischer Kämpfer wird dabei nur zu gerne ausgeblendet.
Und hier bieten sich schließlich Anknüpfungspunkte zwischen den rechtsextremen und den so genannten linken Gruppen in Europa. Israel führt nach deren Logik den selben Kampf wie Deutschland in Afghanistan. Ein Kampf gegen rückständige, religiöse Fanatiker.
Natürlich ist das einfacher als sich Gedanken über die wahren Hintergründe der Politik machen zu müssen.
Wenn dann zusätzlich die europäischen Medien keine Chance auslassen auf Migranten aus den muslimischen Ländern einzudreschen, dann schlägt sich diese Politik auch in der Unterstützung islamfeindlicher Parteien nieder, die sich ihrerseits wieder bewusst pro-israelisch geben.
Auch wenn der Nahost-Konflikt nie wirklich ein religiöser war, so dient es der israelischen Politik ihn so erscheinen zu lassen. Nach dem Muster: Israel gegen radikale Islamisten, die die westlichen Freiheiten hassen.
Es sind die einfachen und stumpfen Ideen, die die Rechten und einfältigen Linken anziehen.
Doch so einfach wie sie sind, so gefährlich sind sie auch.
Sehr gelungen, wenn auch bedrückend. Wenn die Zeit der Palästinasolidarität vorbei ist, dann auch die der Israelsolidarität... Wenn sie eine Solidarität ist, die nicht auf Kosten anderer praktiziert wird.
AntwortenLöschenUnd: Nicht nur einfache Ideen ziehen an - auch und gerade die Aussicht auf Punkte auf der nach oben offenen Propagandaskala... Israelsolidarität - welche auch immer- hat noch nie geschadet, sich selbst bzw. die eigene Gruppierung als moralisch hochwertig zu inszenieren. Was ein solches Verständnis aber offenbart, ist eine fundamentale Unlust, sich dem jeweils Anderen respektvoll gegenüber zu verhalten. Respektvoll meint: Ohne Hintergedanken.