al-Samidoun

Kommentare und Berichte zu Politik, Religion und Kultur mit Fokus auf den Nahen Osten.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Alan Posener und die Ewigkeit des Islams

Islam-These macht Kristina Schröder zu Sarah Palin

Verlinkt ist der Artikel Alan Poseners über die "krude" Aussage der Familienministerin Schröder, der Islam sei das, was die Muslime daraus machen.
Posener jedenfalls ist sich sicher, dies sei kruder Unsinn und auch die These, es gäbe keinen "Einheitsislam" scheint ihm bitter aufzustoßen.

Doch wie "krude" sind eigentlich diese Aussagen?

Religionsgeschichtlich gesehen haben sich alle uns bekannten Religionen verändert. Hier wage ich tatsächlich eine solch verallgemeinernde Aussage. Der eine Glaube veränderte sich mehr, der andere weniger. Selbst Dogmen kamen hinzu, verschwanden mit der Zeit und kehrten manchmal wieder zurück. Und dabei handelte es sich nicht nur um unbedeutende Kleinigkeiten, sondern wie im Falle des Islams sogar um die Frage nach der Erschaffenheit des Korans, ob dieser denn ewig gültig sein könne, ob der Mensch über einen freien Willen verfüge, ja selbst um die Frage ob der Glaube allein ausreiche um das Seelenheil zu erlangen. Also durchaus zentrale Punkte einer Religion.

Dieses Phänomen lässt sich in kleinerem Rahmen sogar beobachten. Wenn in meinem Bekanntenkreis Muslime aus unterschiedlichen Regionen der Erde aufeinandertreffen entbrennen öfters Diskussionen über verschiedene Glaubensinhalte, zum Beispiel was denn nach dem Tod geschehe, oder auch nur, wann denn das nächste Fastenbrechen beginne. Denn irgendwie hat jeder etwas ganz anderes erzählt bekommen oder gelesen, was den wahren Glauben denn ausmache.

Selbstverständlich gibt es also keinen Einheitsislam.

Alles andere tendiert in eine essentialisierende Richtung, bei der man einen ewig gültigen Kern annehmen müsste, der allein den "wahren Islam" ausmache.
Ein bei diversen Islamkritikern beliebtes Instrument um zu zeigen, dass der Kern des Islams zum Beispiel die Gewalt sei, der wahre Muslim also nicht anders könne, als gewalttätig zu sein.
Benimmt sich ein Muslim nicht gewalttätig, sondern ganz im Gegenteil sogar friedlich, könne dies nach dieser Logik nur an zwei Dingen liegen: Entweder der angebliche Muslim ist gar keiner oder er spiele allen nur etwas vor, um im richtigen Augenblick sein wahres, muslimisches Ich zu zeigen. Letzteres verstehen diese Menschen unter "Taqiyya".

Essentialisierende Islambilder finden sich dabei übrigens in den meisten Fällen bei den Fundamentalisten auf beiden Seiten. Für manche muslimische Fundamentalisten kann eine muslimische Frau ohne Kopftuch keine Muslima sein, für den islamfeindlichen Fundamentalisten ebenso wenig. Schließlich stehe es ja im Koran! (Überflüssig zu erwähnen, dass dies durchaus umstritten ist und ich persönlich ganz klar zum Nein tendiere)

Posener ist also der Meinung, dass es bestimmte Richtlinien gibt, an denen man einen Muslim erkennt. Nur welche sollen dies sein? Und noch viel wichtiger, wer legt diese fest?
Letztlich bleiben natürlich Punkte wie der Glaube an den einen Gott und an die Prophetie aber das ist schon so ein kleiner gemeinsamer Nenner, dass dort womöglich auch andere Religionen mit reinrutschen würden.

Man kann sagen was man will. Die Aussage Schröders geht zwar etwas weit ist aber lange nicht so "krude" und unsinnig, wie Posener dies dem Leser weiß machen will.
Denn letzten Endes liegt es wirklich an den Muslimen selbst, was denn der Islam eigentlich ist und ganz gewiss nicht an Alan Posener.

2 Kommentare:

  1. "Denn letzten Endes liegt es wirklich an den Muslimen selbst, was denn der Islam eigentlich ist und ganz gewiss nicht an Alan Posener." - Du argumentierst - das unterstelle ich einfach mal - aus der Binnenperspektive.
    Derselbe Satz aus dem Munde/der Feder/ dem Hirn eines christlich-abendländisch durchdrungenen "Islamkritikers" wäre eine Provokation. Ich denke mal, Posener wendet sich als WELT-Redaktuer an eine Klientel, die eher dem letzteren Typus entspricht, so dass seine Entgegnung auf Schröder m.E. nicht ohne Brisanz und nicht ohne Berechtigung sind.
    Mir könntest du naürlich un vorwerfen, ich sei noch nicht in der postkulturalistischen Realität angekommen...;-)

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  2. Ich halte eigentlich eher die essentialisierende Sicht, es gäbe einen Islam, der unabhängig vom Glaube der sich als Muslime verstehenden Menschen existieren würde für eine Art Binnenperspektive.

    Demnach könnten alle Muslime irgendwann gemeinschaftlich und möglicherweise theologisch begründet entscheiden, das Essen von Schweinefleisch sei heute erlaubt. Dennoch würde sie dadurch mit einem Schlag zu Nichtmuslimen, da eben im Koran der Verzehr von Schweinefleisch verboten ist.

    Im Endeffekt lebt jedoch jeder Muslim den Glauben so wie er es für richtig hält. In den Augen von Fundamentalisten machen sich dadurch einige zu Nichtmuslimen aber dann muss ich fragen, anhand welcher Maßstäbe sie dies entscheiden.
    Und oft läuft es dann darauf hinaus, dass Personen die sich grob an die fünf Glaubenspfeiler halten eben auch als Muslime angesehen werden, egal ob sie Freitags in die Disko gehen oder ob die Frauen kein Kopftuch tragen.

    Du bist also eher der Ansicht, dass Posener sich hier gegen die islamfeindlichen Positionen stellt?

    PS: Danke für den Einwand! Ich hab wirklich gegrübelt wie Posener das meint, gerade weil Schröder ja nicht bekannt für ihre Sympathie dem Islam gegenüber ist.

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