al-Samidoun

Kommentare und Berichte zu Politik, Religion und Kultur mit Fokus auf den Nahen Osten.

Sonntag, 19. Juni 2011

Josef Joffe sorgt sich um Syrien

Wenn Josef Joffe meint über den Nahen Osten quasseln zu müssen, dann kann man eigentlich getrost weghören. Resultat ist meist ein Propagandageschwurbel, das selbst die Verantwortlichen des Hizbullah-Senders Al-Manar in ehrfurchtsvolles Staunen versetzen würde.
Ja, man kann durchaus behaupten, dass sich Al-Manar oder auch die syrische Staatszeitung Tishreen in ihrer Einseitigkeit und Propaganda in keiner Weise von den Artikeln Josef Joffes unterscheiden.

Diesmal hat es der Herausgeber der Zeit auf die syrische Führung abgesehen. Das mag eigentlich ein lobenswertes Unterfangen sein, wenn es Joffe tatsächlich um die syrische Bevölkerung und nicht um westliche Hegemonieansprüche gehen würde.

So philosophiert er darüber warum zwar in Libyen militärisch eingegriffen wurde, nicht aber in Syrien. Schließlich sei - und das weiß Joffe genau, obwohl man momentan kaum objektive Berichte aus Syrien bekommen kann - die Diktatur in Syrien gefährlicher als das Gaddafi-Regime. Warum also kein westliches Vorgehen gegen Bashar al-Assad?
Syrien hat eine mächtige Armee; Moskau blockiert selbst eine Missbilligungs-Resolution; Iran hat geübte Straßenkämpfer nach Syrien verlegt; es wird seinen einzigen Verbündeten nicht fallen lassen und Hisbollah aufbieten.
Moskau, Iran, Hizbullah... in der Checkliste für Bösewichte hat Joffe schonmal einiges abgehakt.
Dabei würde er aber niemals auf die Idee kommen einmal Syrer zu fragen, was sie von einem Eingreifen westlicher Truppen halten würden. Eine syrische, oppositionelle Bloggerin drückt beispielsweise in folgenden Worten aus, wie sie ein solches Unterfangen sieht:
Ich persönlich bin froh, dass der Westen nicht bereit ist, uns zu helfen. Es würde der Revolution schaden, wenn sie mit dem Westen assoziiert würde. Es wäre ein Desaster für die gesamte Region.
Ähnlich lautendes habe ich selbst von syrischen Bekannten gehört. Aber wen interessiert schon was die Syrer wollen? Schließlich geht es Joffe nicht um Syrien sondern - wie sollte es anders sein - um Israel.

Dieses sei nämlich in äußerster Gefahr angesichts "Horden von Palästinensern" - Stampeden wilder Tiere - die auf Befehl Assads auf die "israelischen" Grenzen zumaschieren würden. In den "Minentod" seien sie getrieben worden, obwohl die Demonstranten weniger durch Minen als durch israelische Kugeln getötet wurden.

Dann driftet Joffe vollkommen in sein Fantasy-Gedankenwelt ab:
Das Problem: Assad wird den zu verhindern suchen, so wie er und sein Vater jedes israelische Golan-Angebot (im Austausch für Frieden) abgewiesen haben.
Die Frieden liebenden Israelis scheitern also immer wieder an der Sturheit Assads.
Komisch dass ausgerechnet der israelische Landwirtschaftsminister Jisrael Katz 2003 erklärte:
"Es gibt keinen Dialog mit den Syrern" [...] Die Golanhöhen seien integraler Bestandteil Israels, und die Regierung werde das Gebiet nicht aufgeben.
Die israelische Regierung werde die Gebiete nicht aufgeben? Laut Joffe wollen die Israelis doch nichts anderes als Frieden und scheitern stets an den Arabern.
Nochmal Worte des israelischen Ministers in einem Artikel der SZ von 2004, als die Regierung in Tel Aviv beschloss neun israelische Ortschaften auf dem Gebiet der Golanhöhen zu errichten:
"Die Golan-Höhen sind ein untrennbarer Bestandteil Israels, sie gehören uns, und wir haben keine Absicht, sie zu räumen."
Im selben Artikel etwas weiter unten heißt es zudem:
Erst am 1. Dezember hatte Syriens Staatschef Baschar el-Assad in der New York Times eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Israel vorgeschlagen. Assad hatte die Bedingung gestellt, dass die Verhandlungen an dem Punkt weitergeführt werden sollten, an dem sie im März 2000 mit dem israelischen Regierungschef Ehud Barak beendet worden waren. Syrien hatte die Gespräche damals abgebrochen, weil Barak sich geweigert hatte, vorab einem Rückzug Israels von den Golan-Höhen zuzustimmen.
Wie man lesen kann, scheint Joffe auf einem gänzlich anderen Planeten zu leben. Ein Planet auf dem die israelische Seite das absolut Gute und die arabische Seite das abgrundtief Böse darstellen. Israel steht für Frieden, die arabischen Länder stehen für Krieg. So einfach ist das für Joffe unter Missachtung sämtlicher historischer Fakten. Und wer glaubt ernsthaft, dass es ihm um das Wohl der syrischen Bevölkerung geht?

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