al-Samidoun

Kommentare und Berichte zu Politik, Religion und Kultur mit Fokus auf den Nahen Osten.

Sonntag, 28. November 2010

Rassismus - und keine Seite bleibt verschont

"Sitzen für Hunde, Schweine und Araber verboten"
Eigentlich sollte man sich über den Artikel bei SPON freuen, in dem über den Rassismus gegenüber Arabern in Israel berichtet wird.
Zwar wird dieser Rassismus als relativ neues Phänomen, resultierend aus der aktuellen Politik der „nationalistischen Regierung“ dargestellt, obwohl sich doch bereits in den frühesten zionistischen Dokumenten klar anti-arabische Tendenzen finden, alles in allem aber sticht der Artikel positiv heraus.

Konkret berichtet wird vom Engagement des Holocaustüberlebenden Eli Zvieli der sich entschieden gegen den Rassismus vieler Einwohner der israelischen Stadt Safed stellt.
Die meisten Araber die einmal nach Israel gereist sind wissen was Rassismus in diesem Land bedeutet, den man oft bereits am Ankunftsflughafen oder dem Grenzübergang zu spüren bekommt.

Eigentlich also, sollte man sich über einen solchen Artikel freuen, wäre da nicht der Kommentarbereich, in dem der Leser direkt mit den Resultaten solcher Berichte konfrontiert wird.


Die Juden als neue Nazis


Ein Forenbeitrag nach dem anderen funktioniert nach dem Muster: früher warn's die Deutschen, heute ist's der Jude.
In diesem Punkt sind sich viele Forenschreiber einig. Ausgerechnet diejenigen, die unter den Nazis so unvorstellbar gelitten haben, würden sich nun gegenüber den Arabern ähnlich verhalten.
So beruhigt man sein deutsches Gewissen: Die Juden sind eben auch nicht besser!

In diesem Sinne schreibt eine der intellektuellen Bereicherungen des SPON-Forums, dass Juden gerade nach dem was ihnen im Dritten Reich widerfahren sei eine besondere Verantwortung hätten, dass so etwas nicht noch einmal geschehe. Nach dem Grauen des Holocausts haben Juden demnach absolut kein Recht mehr auf Rassismus! Haben sie denn gar nichts aus dem Holocaust gelernt?
Und der Autor dieses Unsinnes pikiert sich auch noch ernsthaft darüber, dass diese Aussage in einem anderen Forum zensiert worden sei. Zensur, so weit sei es also schon!


Selbst schuld, der Araber!

Doch auch "die andere Seite" benimmt sich nicht weniger daneben. Deutsche die auf Rassismus in Israel hinweisen sind laut diesen Menschen Antisemiten. Und überhaupt! Araber könnten froh sein, dass es ihnen in Israel so gut gehe.

Ein besonders widerlicher Kommentator fordert gar man solle den Holocaustüberlebenden Eli Zvieli zum "Ehrenarier" ernennen, so wie er sich durch seine Antirassismusarbeit zum Werkzeug der Antisemiten mache.
Nicht nur stellt dieser Forenschreiber Zvieli in eine Reihe mit seinen nationalsozialistischen Peinigern, der Kampf gegen Rassismus wird in diesem Zusammenhang sogar als etwas „arisches“ dargstellt.
Wer Araber vor Rassismus in Schutz nimmt, ist also selbst ein Nazi, vor allem wenn er Jude ist, da er damit ja indirekt den Rassenwahn der Nazis mit dem Rassismus von Israelis gleichsetze. Keine Argumentation scheint zu wirr um den Rassismus in Israel zu rechtfertigen.

Einem weiteren Internetrowdy zufolge liege die Schuld für den Rassismus beim Araber selbst. Israel, Deutschland und der Rest der westlichen Welt würden vor den gleichen Problemen mit Unruhe stiftenden Arabern stehen.
Der Kampf gegen klein- oder größer kriminelle Libanesen oder Marokkaner in Berlin finde somit nicht nur dort, sondern auch in der israelischen Stadt Safed statt. Der Araber als ultimativer Feind an allen Fronten der zivilisierten Welt. Und Israel führe als eines der wenigen Länder diesen dringend nötigen Kampf.
So wie für den Antisemiten eben auch die Juden selbst schuld sind am Antisemitismus, ist für den Araberfeind der Rassismus gegenüber Arabern gerechtfertigt, da diese ja selbst für ihn verantwortlich seien.

Beide Seiten schenken sich also nichts. Während die einen Antisemitismus schreien, wenn man auf Rassismus in Israel gegenüber Arabern hinweist, ist für die anderen klar, dass die Israelis die neuen Nazis sind, die sich kaum anders verhalten als die Schergen des Dritten Reichs.


Sollte man solche Artikel also vermeiden, wie von einigen Kommentatoren gefordert wird?
Natürlich nicht! Jeder Artikel der in diese Richtung geht ist wichtig. Rassismus, egal in welchem Winkel der Erde muss angesprochen werden. Auch, und manchmal gerade wenn es Gegenwind gibt.

Mit der selben Argumentation könnte man sonst auch ein Verbot von Berichten über Ehrenmorde, Zwangsverheiratungen oder Antisemitismus in der islamischen Welt verbieten da diese eben auch als gefundenes Fressen für die Rassisten auf der anderen Seite dienen und sich Rassisten von Sarrazin bis Wilders dadurch bestätigt fühlen.

4 Kommentare:

  1. Wie recht Zuckermann doch hat, wenn er im jüngsten "Hintergrund"-Gespräch bemerkt(http://www.hintergrund.de/201011251260/feuilleton/zeitfragen/das-boese-der-banalisierung.html):
    "Es geht also um eine verbale Praxis, die letztlich darauf hinauslaufen muss, dass durch Inflationierung des Begriffs, mithin durch seine Abnutzung die welthistorische Singularität der Shoah, aber eben auch das Bewusstsein von den geschichtlich gewichtigen Auswirkungen des realen Antisemitismus schlicht aushöhlt."

    Andererseits: Jede Zeitung hat die Leser, die sie verdient...

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  2. Danke für den interessanten Link!

    Egal in welcher Hinsicht, Vergleiche und vor allem Gleichsetzungen mit dem Holocaust oder dem Dritten Reich sind nahezu immer Verharmlosungen.

    Kaum ein arabischer oder israelischer Anführer der nicht als Hitler bezeichnet wurde. Überall schießen die Hitlers (Saddam) und "Gegenhitlers" (Bush) aus dem Boden.
    Sogar Menachem Begin wurde von Ben Gurion einmal mit Hitler verglichen.

    Was den Leuten nicht immer bewusst ist, die solche Vergleiche anbringen... sie beweisen, dass sie keinerlei Verständnis für die Geschichte haben.

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  3. Ich verfolge diesen Blogg mit Interesse schon eine Weile, wusste jedoch nicht, dass der Begriff "Antisemitismus" urheberrechtlich geschütz ist. Woher leitet sich der Anspruch der welthistorischen Singularität ab? Warum kann ein Individuum oder besser, eine durch ethnische Herkunft oder ein religiöses Glaubensbekenntnis sich selbst als zusammengehörig empfindende Gesellschaft(bei Juden für Beides abgeleitet durch das "Haben" einer Mutter) jede Kritik an seinem/ihrem eigenem Verhalten auf diesen furchterregenden Begriff "Antisemitismus" reduzieren (Um Gottes willen, was habe ich jetzt falsch gemacht?). Warum begreifen insbesondere Selbige, die sich in Palästina breit gemacht haben nicht, dass sie schlicht "Mist" gebaut haben und immer weiter bauen. Ist es nicht uneinsichtig, Araber zu hänseln, ihnen eine lange Nase zu zeigen, sie aus ihren Häusern zu treiben, ohne eine "5" für schlechtes Betragen zu akzeptieren. Warum wird jede "Betragen-Note", außer der "sehr gut" und "gut" als Zensur und Antisemitismus beschrieen.

    Die Bezeichnung - Antisemitismus - wird allein ausgehöhlt durch Äußerungen, wie die von Herrn Zuckermann , indem dieser alle Anwürfe, Kritiken, kurz Alles in den Begriff hineinstopft, was irgendwie von Außenstehenden befremdlich beobachtet und als Kritik oder gar als Anrüchig eingebracht wird oder nur so empfundenewird. Die Headline Antisemitismus nutz sich ab, wegen Überstrapazierung und nicht wegen Aushöhlung. In der Höhle haben die Semiten nie gelebt!

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  4. Ich glaube, lieber Anonym, dass du die Aussagen Zuckermanns etwas missverstanden hast.
    "Welthistorische Singularität" ist in sofern durchaus existent, da die schrecklichen Folgen des Antisemitismus tatsächlich einmalig sind, eben im Sinne von vorher und nachher nie in diesem Ausmaß dagewesen.

    Dass es deshalb Menschen gibt, die eben auch aus begründeter Angst teilweise vorschnell die Fratze des Antisemitismus erblicken, ist natürlich nachvollziehbar.

    Gefährlich wird es, wenn der Vorwurf des Antisemitismus zu einem Instrument wird um eine bestimmte Politik durchzusetzen.

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