al-Samidoun

Kommentare und Berichte zu Politik, Religion und Kultur mit Fokus auf den Nahen Osten.

Samstag, 23. Juli 2011

Gedanken zum Anschlag in Oslo

Oslo: Bombenexplosion erschüttert Zentrum der Stadt...
Als ich ich gestern die Schlagzeile sah, habe ich frustriert darauf verzichtet den dazu gehörenden Artikel zu lesen. Ich kam gerade aus einer Diskussion in der ich mich vehement dagegen ausgesprochen hatte, man müsse eine stärkere deutsche Identität ausbilden, um mit dem "Problem der Parallelgesellschaften" fertig zu werden.
Jetzt also wieder ein Anschlag. Und es waren zwei Dinge, die mir im Kopf herumgingen: Auf der einen Seite fragte ich mich, wie viele Opfer die Tat gefordert hatte und auf der anderen Seite, wie weit sich solch ein brutaler Anschlag in Europa auf die Politik und die Gesellschaft auswirken würde.

Kurz darauf, den Schwefelgeruch konnte man in Oslo noch riechen, rief mich dann ein Freund an mit dem ich mich grundsätzlich in hitzigen Diskussionen verfange. Er zählt sich zum rechten Flügel der SPD, vertritt aber oft Positionen des rechten CSU-Flügels. Ich mag ihn dennoch.
Er jedenfalls rief mich an, um mir von dem islamistischen Terroranschlag zu erzählen, obwohl er natürlich genau wusste, dass ich das sowieso schon mitbekommen hatte. Er wollte mir, dem Linken, nur auf den Zahn fühlen. Was würde ich jetzt wohl sagen, wo er doch wieder bestätigt wurde? Würde ich ausweichen, oder gar den Anschlag relativieren?
In leicht triumphierenden Ton heuchelte er etwas Entsetzen... Unfassbar was da wieder passiert sei... Was sei nur mit diesen muslimischen Extremisten los? Mutter Gottes, kennen die den gar kein Erbarmen mehr?
Ich ging nicht auf das Gespräch ein, antwortete einsilbig und lenkte die Unterhaltung zu einem anderen Thema. Ich hatte einfach keinen Spaß daran, dass er den Anschlag in Oslo als Beweismittel dafür nahm, dass ich in all den Diskussionen zu Einwanderung, Kriegseinsätzen und Minarettverbot Unrecht hatte.

Zu diesem Zeitpunkt stand für uns beide zweifellos fest, dass der Terroranschlag von Muslimen ausging. Während er darüber fast eine morbide Genugtuung zeigte - sie hams ja mal wieder bewiesen! - war ich frustriert und dachte ebenfalls weniger über die Opfer, als über die gesellschaftlichen und politischen Folgen nach.
Ich bin öfters auf den Seiten der so genannten "Islamkritiker". In den dortigen Kommentarspalten konzentriert sich neben Forderungen nach einem liberaleren Waffenrecht oft ein nicht zu bändigender Hass auf Muslime, Sinti und Roma, Homosexuelle, "Linksfaschisten" und Gutmenschen. Und jedes mal frage ich mich wieder, wie lange es wohl noch dauert - was passieren muss, damit einer von diesen Usern auch im realen Leben da draußen durchdreht und zur Waffe greift. War es nun so weit?

Da wusste ich noch nicht, dass der blutigste und graumsamste Terroranschlag seit Jahren in Europa nicht von einem Islamisten, sondern von einem Rechtskonservativen, von einem "Islamkritiker" verübt worden war. Jung, nationalistisch, christlich, konservativ - potentielles PI-News oder Achgut-Klientel also. Anders Behring B. , so der Name des mutmaßlichen Täters, las Kant und Smith, war ein Fan von Geert Wilders und dem norwegischen Widerstandskämpfer Max Manus. Die Polizei vermutet, dass B. in Oslo eine Autobombe zündete und dabei 7 Menschen tötete, bevor er später auf der Insel Utøya ein Lager der Jugendorganisation der Regierungspartei mit Schusswaffen angriff und dabei weitere 84 Menschen, darunter hauptsächlich Kinder und Jugendliche tötete.

Der Anschlag ist zu abartig, als dass man nun "aufatmen" könnte, dass es sich bei dem Täter eben nicht um einen extremistischen Muslim gehandelt hat. Angesichts solch einer Tat kann man kaum "Erleichterung" empfinden. Oder gar Genugtuung, weil man ja immer vor den Auswüchsen genau dieser rechtskonservativen "Szene" gewarnt hat und jetzt bestätigt wurde. Für die Opfer ist es ohnehin vollkommen irrelevant wer sie getötet oder verletzt hat.

Und ich? Ich werde gleich meinen Kumpel anrufen...

1 Kommentar:

  1. Ob jetzt nun Muslim oder nicht. Es ist sehr schlimm. Aber wenn es ein Muslim gewesen wäre, hätten wir jetzt eine Debatte. Und viele zahlreiche Sondersendungen auf Phoenix, ARD und ZDF.

    AntwortenLöschen